Das Leben in der Maremma war bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ziemlich hart. Der Bergbau forderte seine Opfer, und die Bauern in den Ebenen litten an Krankheiten wie Malaria. Heute ist die Maremma im Süden der Toskana ein landschaftliches Paradies. Aufnahmen aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als der amerikanische Musikologe Alan Lomax der Folklore Italiens mit dem Mikrofon folgte, dokumentieren den damaligen Stand der Tradition, damals war der Faschismus in Italien gerade erst überwunden. Als Lomax im Piemont Dörfer besuchte, in der Lombardei bei Festen war, in Kalabrien und Sizilien Mütter beim Schlafliedsingen, in der Emilia-Romagna Arbeiterinnen bei der Reisernte aufnahm, in Genua die Kunst der Tralaleri und in den Abruzzen die alten Liebeslieder einfing, da wurden in der Maremma gerade die ersten Bergminen wieder geschlossen. "Maremma amara", "Bittere Maremma", ist das bekannteste Lied aus dieser Region ...
Der amerikanische Musikologe Alan Lomax (1915-2002) ging mit dem Mikrofon in Gefängnisse, in Dörfer, auf Straßen, zu Festen und in die Häuser einfachster Leute, um die Wurzeln der amerikanischen Volksmusik aufzunehmen. Aber auch in Europa nahm Lomax in den vierziger und fünfziger Jahren auf. Wie schwierig Feld-Aufnahmen zustande kommen, wie man Sänger findet, wie viel Vertrauen entstehen muss, damit Menschen ihre einfachen Lieder anstimmen und sich dabei ungeniert aufnehmen lassen, diese Erkenntnis lässt den Respekt unserer Autorin Friederike Haupt vor der Sammlung des Alan Lomax noch steigen ... Sie folgte der Einladung des Jazzmusikers Piero Bronzi, um zu hören und aufzunehmen, wie die Maremma heute klingt - und fand interessante Aufnahmen bereits vor.
Einst war Tango die Musik aus billigen Bars, Cafés und Puffs, man traf sich, man
umarmte einander vorsichtig - und tanzte. Heute ist der Tango UNESCO-Weltkulturerbe,
seit 2009 zählt er zum schützenswerten Kulturgut der Menschheit.
Was macht den Tango musikalisch aus, was macht den Tango zum Tango? Der Klang des
Bandoneon, die Synkopen, die unerwartete Rhythmik, seine Akzente? Es ist die
Phrasierung, die den Tango ausmacht, sagt der Gitarrist und Tangokomponist Louis
Borda. Auch er schreibt gelegentlich untanzbare Tangos, ebenso, wie sein großes
Vorbild, der weltberühmte Astor Piazzolla. Aber auch der Vater des sogenannten Tango
Nuevo konnte in den fünfziger Jahren schon auf ein halbes Jahrhundert
Tangogeschichte zurückblicken. 1935 verunglückte der Unsterbliche, El Mago, bei
einem Flugzeugabsturz: Carlos Gardel, der Magier der Stimme des Tango Cancion, des
gesungenen Tango, der größte Tangosänger seiner Zeit, der der Poesie seine Stimme
gab.
Von den Tango-Musikern der Goldenen Epoche, von den frühen dreißiger Jahren bis
1955, führt die Sendung bis zum argentinischen Münchner Tangosänger Mundo Burgos.
Und Lidia Borda, die Schwester von Luis Borda, Tangosängerin in Buenos Aires,
erinnert mit ihrer weichen, warmen, zerbrechlichen Stimme an die große Susana
Rinaldi, die mit Piazzolla sang.
Schamanen findet man von der Mongolei bis nach Jakutien und weiter nach Norden und Osten bis zur vulkanischen Halbinsel Kamtschatka. Der wiederauflebende Schamanismus wird von den vielen unterschiedlichen Völkern Sibiriens und der Mongolei unterschiedlich praktiziert. Das Bewusstsein der eigenen schamanischen Kultur mit ihren Ritualen und Praktiken erwacht vielerorts wieder, Neoschamanismus und Touristenattraktionen eingeschlossen. Feldaufnahmen von schamanischen Festen und Zeremonien auf Kamtschatka hat der Forscher Erik Kasten mitgebracht. In der Mongolei und bei den Burjaten am Baikalsee hat die Forscherin Amelie Schenk Aufzeichnungen gemacht, sie berichtet von ihren Erlebnissen. Wenn die Schamanen reisen, reisen sie dann in Wach-Träumen oder in einer anderen Welt? Was sind schamanische Gesänge und was Gesänge aus einer schamanischen Kultur? Oder ist beides das gleiche? In Sibirien und in der Mongolei werden Schamanen heute wieder in Anspruch genommen und es werden immer mehr. Das schamanische Weltbild prägt die Kultur, ihre Gesänge, Gebete und Segnungen.
Lateinische Messe-Kompositionen von Bach bis Verdi kennen wir in der abendländisch-klassischen Musik als klingende Zeugnisse des Glaubens. Die „Misa Flamenca“ aus Andalusien aber ist tiefgreifende Flamencomusik mit Gitarre, Chor und Flamencogesang. Sie hat genau denselben Verlauf wie eine katholische Messe, gesungen wird sie auf Spanisch. Und sie berührt uns auf einer anderen Ebene, so wie uns auch die Musik des Flamenco innerlich rhythmisch bewegt und mitreißt. Da sind „Cantes Gitanos“ voller Härte, Schmerz und Jubel etwa, sie stehen in der Position des "Credo", oder „Cantes des Malaga“ mit Cachon, Gitarre und Zimbeln im „Gloria“. Sie bezeugen die tiefe Gläubigkeit Andalusiens im sogenannten „Cante Jondo“ des Vorsängers, im "tiefinnerlichen Gesang" des Flamenco. Und an Ostern, nach dem Ende der „Semana Santa“, der sogenannten Heiligen Woche, erleben wir einen Straßen-Umzug akustisch noch einmal mit, bevor komponierte Messen aus Lateinamerika erklingen. Wo einst religiöse Riten indianischer Kulturen ausgeübt wurden, finden wir imposante steinerne Zeugnisse katholischen Glaubens, Kirchen, die genau auf den heiligen Orten errichtet wurden. Mitreißende Klänge aus der kreolischen Welt prägen die "Misa Criolla" des Komponisten Ariel Ramirez in einer Aufnahme aus Argentinien … Eine Chormusik voller Emotionalität und tiefempfundener Religiosität!
Er ist ein Meister des knallbunten Kabukitheaters. In Berlin traf unsere Autorin Friederike Haupt ein lebendes Kulturdenkmal Japans, den Kabuki-Schauspieler Nakamura Kanzaburo im Haus der Kulturen der Welt. Japan, das Zauberland im Osten, hat für uns eine mehr als undurchsichtige Musikkultur. Während dortige Musikstudenten sich in Europa den letzten Schliff für die hiesige klassische Musik aneignen, gibt es in Japan mehrere traditionelle und auch klassische Musikkulturen. Am bekanntesten ist die vom Zen-Buddhismus beeinflusste Kunst des Flötenspiels auf der Shakuhachi-Bambusflöte. Aber auch die Erzählkunst der alten Biwa-Lautenspieler, deren Epen zur Substanz der Theaterkunst im konzentrierten Nô-Theater zählen, kann beeindrucken, oder die kaiserliche Hofmusik, deren Entstehen im siebten Jahrhundert in China angesiedelt wird. Der Komponist Toru Takemitsu verband die alte Kunst des Gagaku mit der modernen Avantgarde. Man kann rituelle Gagakumusik heute in Japan bei Hochzeiten erleben - oder auch die archaischen Trommeln der Shinto-Rituale, während nebenan von Johann Sebastian Bach das Weihnachtsoratorium geprobt wird.
"Frühlingsopfer" schrieb Igor Strawinsky über einen Teil seiner bahnbrechenden Komposition, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts alte russische Riten in faszinierenden Rhythmen und Klangfarben neu zum Leben erweckte. Welche Volksmusik hat Strawinsky damals wohl im Sinn gehabt, als er die Frühlings-Kräfte seiner russischen Heimat in "Le sacre du printemps" so dramatisch beschwor? Alte Bräuche, wenn der Frühling hervorbricht, wenn das Eis endlich Sprünge bekommt und die Sonne mit ersten Strahlen die Erde wärmt ... Die Mythen der Skythen im vorchristlichen Russland entflammten zuvor schon die Fantasie der Komponisten Mussorgskij und Rimskij-Korsakow. Aus vorislamischer Zeit dagegen stammt ein Brauch, der auch in den südlichen Staaten der ehemaligen Sowjetunion bekannt ist: Das Feiern von Newruz, ein "Neujahrsfest" am 21. März! Es geht auf die alte zoroastrische Kultur in Persien zurück und wird jedes Jahr mit Feuertänzen, Gesängen und Essen vom Iran bis nach Zentralasien groß gefeiert. In jedem Land etwas anders, für die Kurden ist es ein Nationalfeiertag, für die Kinder in Afghanistan kreisen jetzt wieder die Karuselle. Die Faszination der eigentümlichen Trommeltänze kurdischer Musiker im Iran wird in dieser Sendung zu erleben sein, und auch die Fröhlichkeit eines jüdischen Liedes an Purim. Auf dem 30. Breitengrad durch Zentralasien, Nordindien und weiter geht die Suche nach musikalischen Frühlingsgefühlen ... und die können auch sehr besinnlich oder traurig sein, wie etwa in Japan beim traditionellen Kirschblütenfest. Naturverbundenheit, meditativer Zengeist und japanische Geschichte stecken im alten Kirschblütenlied "Sakura", das so unscheinbar ist wie die fast durchsichtigen Blätter der Kirschblüte ...
Sepharad ist das jüdische Wort für das Spanien des Mittelalters. Die sephardischen Juden wirkten als Kulturvermittler zwischen Orient und Okzident, übersetzten die großen Werke der arabischen Wissenschaften und Philosophie, und machten sie dem christlichen Europa erst zugänglich. Die kulturelle Brücke zwischen Arabien und dem Abendland war schon aufgebaut, als 1492 endgültig alle spanischen Juden, die bei ihrem Glauben geblieben waren, Spanien und wenig später auch Portugal, verlassen mussten. Ihre Lieder aber überlebten die Jahrhunderte an den verschiedenen Orten des Exils. Über fünfhundert Jahre blieb in diesen Liedern die sephardische Sprache, Ladino genannt, erhalten. Auch arabische, italienische, griechische und türkische Worte mischten sich hinein in dieses Altkastilisch, das im gesamten Mittelmeerraum von Marokko bis Sarajevo, und darüber hinaus in den europäischen Zentren Amsterdam, Hamburg und Venedig gesprochen und gesungen wurde - an einigen Orten bis heute.
Was ist der Klang Venedigs, die Musik dieser Stadt? Das Stimmengewirr, die Schritte, die durch Gassen hallen, das Lachen, das Rufen ... und dazwischen wieder diese seltsame Stille? Die venezianische Stille ist anders als anderswo. Wellenschlagen an den alten Steintreppen hier und da ist manchmal das einzige Geräusch, unterbrochen nur vom Brummen der Wassertaxis und Vaporetti, besonders wenn man den Klängen des Canale Grande lauscht, mit dem Mikrofon unterwegs auf den verebbenden Spuren des Karnevals. Musik aus Venedig und Musik aus Venezien, aus der Lagune, so wie sie in den sechziger Jahren beim „Canzoniere Popolare Veneto“ klang, Gondellieder und Opernarien. Venedig hat über Jahrhunderte die Musiker inspiriert und die Musikgeschichte Europas beeinflusst, schon vor Gabrieli und Monteverdi. Die Folklorebewegung in Italien dagegen sammelte in den sechziger und siebziger Jahren das, was die einfachen Leute so sangen. Mit Aufnahmegeräten waren Musiker unterwegs, um Lieder festzuhalten und daraus Canzoniere, Sammlungen zu machen, die sie später aufführten: Aber auch Musica colte, also kultivierte, aufgeschriebene Musik kann im venezianischen Dialekt sein, wie die Gondellieder im Sechsachteltakt ...
Die "Madame Soler" ist eines der wenigen Gemälde aus der besonders gefragten "Blauen Periode"
von Pablo Picasso, das in einem deutschen Museum hängt, in der Pinakothek der Moderne in
München. Seit vielen Jahren verlangt es eine jüdische Familie zurück, weil es ein Fall von
verfolgungsbedingtem Entzug während der Zeit des Nationalsozialismus sei. Die Bayerischen
Staatsgemäldesammlungen haben die durchaus komplizierte Erwerbungsgeschichte des Kunstwerks
untersucht und erwidern: Die "Madame Soler" ist kein Fall von Nazi-Raubkunst. Aussage steht
gegen Aussage. Ein Fall für die "Limbach-Kommission", die Schiedsstelle in Deutschland?
Außerdem: Ein Interview mit Uta Werlich, der Direktorin des Museums Fünf Kontinente in München.
Und: Gedanken anlässlich des Holocaust-Gedenktags (27. Januar): Leben mit "gesprenkelten
Identitäten" - unsere Autorin kann über eigene Erfahrungen berichten: Da sie mit drei
verschiedenen Autokennzeichen unterwegs ist - einem deutschen, einem italienischen, einem
niederländischen - wird sie als Autofahrerin unterschiedlich beurteilt und behandelt. Reine
Willkür. Dabei hat sich das Konzept des Nationalen doch endgültig erübrigt.
Ein kleines Dorf irgendwo in der Maremma: „Canzone di Napoli“ und „Canciones Argentinas“ werden versprochen. Hat das etwas miteinander zu tun? Der große Tango-Komponist Astor Piazzolla war italienischen Ursprungs. Wie tausende andere Familien, so verließ auch seine Familie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts das arme Italien, um in Argentinien besser leben zu können. Die Familie der weltbekannten Pianistin Martha Argerich dagegen kam aus Wien nach Argentinien, eine jüdische Mutter, auf der Flucht vor den Nazis. Diese kamen erst später über den großen Teich und lebten in deutschen Enklaven, um ihre Untaten zu verbergen. Davon sprechen wir nicht. Sondern von den Großmeistern der klassischen Musik, wie Daniel Barenboim, viele wurden in Argentinien geboren … und es gibt eine Reihe argentinischer Komponisten. Sie bereicherten ihr Land und manche brachten es zu Weltruhm. Argentinien, Uruguay, Brasilien sind Einwanderungsländer. „Klar, Migration macht die Musik erst interessant, auch Wagner und Verdi haben viel Fremdes aufgenommen,“ sagen uns die Jugendlichen des „Youth Orchestra of Bahia“, nachdem sie gerade Wagners Meistersinger-Ouvertüre zum Besten gegeben haben. Brasilien ist vielleicht weltweit das Land mit den meisten unterschiedlichen Einflüssen. Salvador de Bahia? Das kannten wir doch bisher eher als Samba-Rhythmus-Paradies im Carneval! Der Tango oder die Tarantella, die Oper, die Canzone napoletana „O sole mio“ und „Santa Lucia“, gehören sie nicht uns allen? Heimische Musik ist das, was man liebt, was man mitnimmt und was man aufnimmt ... Noapolis nannte die israelische Sängerin Noa ihre Liebe zu Neapel. Auch Mozart war schon ein bekennender Neapolist.
Eine Stimme, die Emotionen hervorruft, die einen beten, zittern und erbeben lässt, ist die
Stimme des Oberkantors des Wiener Stadttempels, Shmuel Barzilai. Hören kann man sie in Wien
in seiner Synagoge, aber auch in Konzerthäusern und auf Tonträgern - und immer vermittelt
sie ein gewisses Etwas, etwas Heiliges vielleicht, das sich nicht erklären lässt. Es ist
„Chazanut“, der Kantoralgesang aus der Synagoge, Barzilai singt ihn gern mit großem
Orchester und Chor. Dabei sind seine Soli zu weiten Teilen improvisiert.
Wie fand der synagogale Gesang in die Konzerthäuser, wer waren die ersten Komponisten, die
diese jüdisch geprägte geistliche Kunstmusik kreierten? Und woher kamen sie? Die
jiddisch-sprechenden Immigranten aus den Shtetl Osteuropas brachten ihre Kultur und
Religion Ende des neunzehnten Jahrhunderts wieder mit nach Zentraleuropa und dann auch
nach Amerika. In der Neuen Welt konnte man im jiddischen Radio bald „Chazanut“, also
kantorale Gesänge hören. Überhaupt, im New York der dreißiger und vierziger Jahre
entwickelte sich der Kantoralgesang aus den Synagogen bisweilen sogar zum
Schallplatten-Schlager …
Eine Stadt im UmbruchKennen Sie den Dybbuk, die Geschichte von dem Mädchen, das vom Geist ihres Geliebten besetzt wurde? Sie spielt in einem jiddischen Shtetl. Der Ethnograph und Dichter Shlomo Anski hat sie geschrieben und er war es auch, der Tausende von Dokumenten aus eben dieser Shtetl-Kultur ins Hier und Heute rettete. Musikologen und Komponisten zogen mit ihm ab 1911 in die Dörfer und Shtetl des sogenannten Ansiedlungsgürtels, der sich vom Schwarzen Meer bis ins Baltikum zog. Nur dort durften jüdische Familien im Russland von damals sich ansiedeln. Die „Jüdische Ethnografische Expedition“ führte sie zu Kindern, Kantoren, Müttern und Musikanten. Das Ziel war, die Kultur der Shtetl festzuhalten, indem man aufnahm und notierte, was die Menschen dort sangen, spielten und erzählten. Aus Volksmusik sollte eine neue jüdische Kunstmusik entstehen. Der Pianist Jascha Nemtsov hat einige dieser Musikstücke entdeckt und erstmals aufgenommen. Shlomo Anski aber schwebte damals eine ganze Enzyklopädie jüdischen Lebens im Ansiedlungsgürtel vor, eine Art klingendes jiddisches Nationalmuseum. Er ahnte, dass das traditionelle Leben der Shtetl bald Vergangenheit sein würde …
Nach Belgrad? Drei Münchner Buchläden hatten keinen Stadtführer. Serbien? Kroatien können
wir ihnen anbieten. Nein, ich möchte nach Serbien, das ist nicht in der EU. Früher war das
alles mal Jugoslawien: Das Land mit den genialen Musikern, die alles spielen und fast
überall mitspielen können, die diese fantastischen Rhythmen haben, ungerade und gerade,
und diese mitreißenden und bewegenden Melodien, die oft orientalisch und immer nach Balkan
klingen. Balkan, was ist das? Existiert der Balkan als musikalische Einheit noch, mit
seinen rumänischen, moldawischen, albanischen, kroatischen, serbischen Melodien und
Rhythmen, die transportiert und durcheinandergerüttelt wurden von genialen Roma- und
Sinti-Musikern? Oder gibt es in Belgrad jetzt ausschließlich serbische Lieder und Melodien?
Alles getrennt - oder wie immer gemischt?
Gibt es in Serbien eine Wiedergeburt serbischer Volksmusik - Traditionen, zur
Identitätsabsicherung, und in Kroatien kroatische? Belgrad ist ein Kosmos!
Serbisch-orthodoxe Kirchen strahlen wie neu in Weiß und Gold. Im Inneren wird die Liturgie
auswendig und mit vielen Verzierungen gesungen. Draußen gibt es arm und reich, verrottend,
alt und neu und jeder sagt: "Ja, bald soll es besser werden.". Es liegt ein trotziger
serbischer Nationalismus in der Luft und irgendwo ein nostalgisches Lied, das an
Jugoslawien erinnert ... Aber da, wo gefeiert wird, da birst die Luft von immer schneller
rasenden Geigen, vom rhythmischen Zucken des Akkordeons, vom Quintfall am Kontrabass und
schluchzenden Klarinetten.
Die Komponistin Dijana Bošković erinnert sich an die Hochzeiten in ihrer Jugend.
Wiegenlieder
sind der Inbegriff von Heimatgefühl, von Vertrauen, von Zuhause. Meine Mutter
sang bisweilen ganz gern das österreichische „Aber Heidschi bumbeitschi“, ohne
genau zu wissen, was der Inhalt des Liedes bedeutet. Wir mochten es sogar. In
dieser Sendung können sie den grausamen Inhalt etwas genauer studieren, in
einer wunderbar wienerischen Aufnahme mit Jonas Kaufmann und Margarete Joswig:
Die Mutter geht aus und das Kindlein stirbt, dafür nehmen es die Engelein mit
... und das mit bittersüßem österreichisch-wienerischem Schmäh.
Erinnern Sie sich an Wiegenlieder aus ihrer Kindheit, selbst gesungene oder von
Tonträgern gespielte? Der Bariton Cornelius Hauptmann, den treue Hörer noch aus
der Aufnahme des Mozart-Requiems mit Leonard Bernstein und den BR-Klangkörpern
kennen, hatte die Idee, die versiegenden Quellen der Wiegenlieder wieder zum
Fließen zu bringen, indem er berühmte Sängerkollegen bat, je ein Wiegenlied
ihrer Wahl auf CD zu singen. Später folgten Wiegenlieder aus anderen Erdteilen,
aus dem Libanon etwa, aus Armenien oder Indien. Berühmte Sänger, wie der Tenor
Peter Schreier oder der Bass Kurt Moll, wurden für dieses Projekt überredet,
noch ein letztes Mal vors Mikrofon zu treten. Denn wer, wenn nicht wir Sänger,
sollen da aktiv werden, sagt Cornelius Hauptmann. Ihm war aufgefallen, wie
wenig Lieder die Kinder heute noch kennen. Wiegenlieder, ja Lieder überhaupt
prägen eine Kindheit, auch wenn sie nicht selbst gesungen, sondern nur angehört
werden: „Wiegenlieder aus aller Welt“ hieß eine alte Schallpatte, die ich
selbst als Kind hörte, ständig. Wiegenlieder in unterschiedlichsten Sprachen
und Formen, und am Ende sang ich selbst als Kind Chinesisch, Italienisch, ja
sogar Pakistanisch vor mich hin. Diese seltsamen Stimmen und Klänge weckten Welten
der Imagination in mir, ich hörte das Leben in prächtigen Palästen und in armen
Hütten. Der Melos wirkte so fremdländisch, dass man ihn fast wie den Geruch
eines Gewürzes fühlen konnte. Klangvolle Bilder voller Intimität entstehen so
mit Wiegenliedern. Heimatliche und fremde, solche, die Erinnerungen in uns
wecken und solche die neu für uns sind... Auch wenn die Aufnahmen schon gut
fünfzig Jahre alt sind, denn ich konnte diese alte Schallplatte wiederfinden im
unendlich reichen und immer wieder überraschenden Archiv des Bayerischen
Rundfunks, mit Wiegenliedern aus Europa und Asien.
Eine Sendung von Friederike Haupt
Beim Thema Indianer und indianische Musik nicht gleich in Stereotype zu verfallen, das ist gar nicht so leicht. Wer denkt da nicht sofort an Totemtiere, Tänze und Traumfänger … dabei bieten die „Native Tribal People“ Amerikas im Moment zwei wichtige Ansätze: Einerseits einen Zugang zum ökologischen Bewusstsein, zu anderen Werten, die die derzeitige Werte-Diskussion des Westens durchaus bereichern könnten und andererseits das „In-between“, das Leben in mehreren Kulturen - oder eben dazwischen: Indianische Sprachen und Englisch, Re-Invention der Identität und Adaption, Basstrommel und Banjo. Was Elvis Presley, Cher, Jimi Hendrix, Johnny Depp und Kevin Costner gemeinsam haben? Sie sind Weltbürger mit Cherokee-Wurzeln. Ist es nicht erstaunlich, dass es bei der Einführung eines Präsidenten der USA nichts Besseres gab als eine schüttere Nationalhymne, gesungen von einer Sechzehnjährigen weil die übrigen angefragten Musiker nicht auftreten wollten? Wie aber hätte es geklungen, wenn zum Beispiel Native Tribal Musiker indianischer Stämme eingeladen gewesen wären? In dieser Sendung werden Sie es hören: Indianische Musik aus Feldaufnahmen aus den siebziger Jahren, von großen Pow Wouw-Stammestreffen und solche Musik, die mit dem New Age die Fusion in ein neues Zeitalter schafft. Spannend ist auch der Vergleich mit Sibirien, mit Musik von der russischen Halbinsel Kamtschatka
Kennen Sie die Morin-Khuur? Sogar der weltbekannte Cellist Yo-Yo Ma hat sich an der spannenden mongolischen Pferdekopfgeige versucht. Die Reisenden auf der antiken Seidenstraße trafen dieses merkwürdige Streichquartett mit seinen eckigen Instrumenten erst dann an, wenn sie die zentralasiatischen Nachfolgestaaten der UdSSR, dann die uigurische Metropole Kashgar und die endlos scheinende Wüste Taklamakan hinter sich gelassen hatten und auch die Oase der Dünenklöster von Dunhuang. Wir sind bereits mitten in China! Erst jenseits der Wüste treffen wir auf diese mongolische Pferdekopfgeige, sie kündigt einen völlig anderen, einmaligen Kulturraum an! Türkische, arabische, persische, indische und chinesische Musikkulturen trafen aufeinander in Buchara und Samarkand, in der Welt des Tamerlan und darüber hinaus. Die zentralasiatischen Regionen, die wir durchreisten waren immer schon Treffpunkte von Kulturen. Faszinierende Musik entstand, unendliche Melodik in tonalen Systemen der "Maqam" der arabischen Kunstmusik, die die gesamte islamische Welt durchziehen. Diese "Maqam" sind monophon, in der Grundlage einstimmig, gespielt von den Lauten Dotar, Rubab, Oud, Tar und Setar, den Geigen Kamantsche und Ghaichak und von Zithern, wie Kanun und Santur, eine Art Hackbrett. Die vielen mikrotonalen Strukturen sind das, was die "Maqam" so interessant, so spannend für uns macht. Tonräume, die bei uns im Westen gar nicht vorkommen! Tiefe Gefühle, Spiritualität und amouröse Emotionen aber auch die Epen-Erzählungen der Wüstensänger, alles lässt sich mit den vielfältigen Saiteninstrumenten Zentralasiens ausdrücken und begleiten, ein Schillern zwischen arabischem Melos, chinesischer Anmutung und türkischem Epos. Die wunderschöne große Laute Pipa dagegen gehört zur klassischen Kunstmusik Chinas, genauso die pentatonisch gestimmten Wölbbrettzithern Ostasiens. In der chinesischen Klang-Welt kann man übrigens auch eines der ältesten Saiteninstrumente der Menschheit erleben: Es ist die möglicherweise schon 5000 Jahre alte chinesische Zither Qin. Schon Konfuzius soll sie gespielt haben.
Vom Okzident in den Orient und umgekehrt, die antiken Seidenstraßen waren bis ins 14. Jahrhundert ein Netz von Karawanen-Wanderwegen, die von Westen nach Osten zogen. Nicht einseitig, sondern hin und her ging der Handelsstrom, es war ein Geben und Nehmen zwischen Asien und Europa, auch Kulturgüter wurden ausgetauscht in den Karawansereien, Kleidung, Geschichte und Geschichten. Die Händler brachten Gewürze und Seidenstoffe aus dem Orient, aber auch Instrumente und Spielweisen wanderten mit. Geigen, Lauten, Zithern? Wir folgen den Ahnen unserer europäischen Instrumente … Geografisch bewegen wir uns auf der Seidenstraße entlang heutiger politischer Brennpunkte. Wir glauben, die Zustände in Syrien, Irak, Iran, Afghanistan schon ganz gut zu kennen. Aber kennen wir sie wirklich? Ihren Instrumenten zu lauschen ist einer der besten Wege, um tiefer und direkt ins Herz einer anderen Kultur vorzustoßen…". Von Venedig geht es mit dem Schiff in den Libanon und weiter nach Damaskus, nach Bagdad und in den Iran, über Isfahan oder Mashhad zu den Perlen der persischen Kultur. Vom Iran dann weiter mit einem Abstecher ins schöne Afghanistan der siebziger Jahre, um das einzigartige Rubab von Herat noch einmal zu erleben. Rubab, das ist die gehörnte Laute, die man in verschiedensten Formen in ganz Zentralasien findet. Aus Iran soll ursprünglich die arabische klassische Laute Oud stammen, auch die Langhalslauten Tar und Setar, und das Hackbrett Santur. Tambur kam aus der indischen Musik dazu und Dotar, die zweisaitige Laute ist ein uns völlig unbekanntes Instrument der Kunstmusik. Wir werden die brilliante usbekische Dotar in Samarkand erleben, faszinierend, was man auf zwei Saiten alles machen kann! Buchara und Samarkand, diese berühmten Städte der Seidenstraße im usbekischen Zentralasien sind Schnittpunkte von Kulturen. Mazedonische, mongolische und später islamische Herrscher bildeten eine wechselvolle Geschichte in dieser nomadischen Region, deren architektonische Zeugnisse heute Tourismusattraktionen sind. Schamanismus, Islam, Buddhismus verschmolzen hier oft miteinander. Der post-sowjetische Transformationsprozess verbindet russische musikalische Prägung mit alten Traditionen. Schon vor unserer Zeitrechnung aber wurde hier gehandelt, die Karawanen zogen durch. Größere jüdische Kolonien entstanden, tausend Jahre alte jüdische Gemeinden prägten die musikalische Kultur in Samarkand mit.
Dort,
wo Sardinien wild und noch ganz bei sich selbst ist, existieren alte
Gesangstraditionen und Instrumente, die teilweise bis in die Zeit der
archäologischen Fundstätten zurückreichen. Bei den immer gleich bleibenden
polyphonen Melodien der Holzblasinstrumente Launeddas, die zum Tanz aufspielen,
scheinen noch schamanische Reste in Europa auf. Die Traditionen, die in den
1970er Jahren als altmodisch galten, werden wieder neu gepflegt. Teilweise sind
sie UNESCO-Weltkulturerbe. Friederike Haupt nahm in einem sardischen Dorf
Sänger und Spieler in ihrer traditionellen Funktion auf und suchte den
UNESCO-geschützten „Canto Tenore“.
Und der ist eines auf jeden Fall nicht: Ein Tenor! Ganz im Gegenteil, es gibt
da einen tiefen gutturalen Bass, wie sonst so nur noch in Tuva und der
Mongolei. Hat der alte sardische Gesang auch schamanische Wurzeln? Zumindest
gibt es bis heute davon in Sardinien zwei Traditionen: Eine sakrale und eine
weltliche. „Canto a Cuncordu“ sind Klänge zu Prozessionen und Ritualen der
heiligen Messe, beim „Canto a Tenore“ dagegen sind Poesie, wilde
Liebesgeschichten und auch Politisches nicht selten. „Weltmusik“ wird mit
Vorsicht angegangen: Piero Pala und die Sänger des „Canto Tenore e Cuncordu aus
Orosei“ in der musikalischen Begegnung mit dem niederländischen Cellisten Ernst
Rejisegger und dem Senegalesischen Songman Mola Sylla zum Bespiel. Sie singen
in einer Filmmusik zu Werner Herzogs Film „The Wild Blue Yonder“, ein „Requiem
for a Dying Planet“ -„Requiem für einen sterbenden Planeten“.
Mit einem überraschenden Archivfund in der Ukraine hat es vor einigen Jahren angefangen. Viele hundert Notenschriften und Tondokumente wurden da wiederentdeckt, die die Forscher Kiselgof und Anski vor mehr als 100 Jahren in den jüdischen Städtchen Osteuropas gesammelt haben. Mit diesen Archivalien kann man die jiddische Sprache rekonstruieren, aber auch die echte Klezmermusik auf alten Wachsschallplatten hören. Der Beitrag von Friederike Haupt heißt "Die Kiselgof-Sache oder: Wie klingt eigentlich die Geige von Marc Chagall?"
Shmuel Barzilai, Oberkantor des Wiener Stadttempels zeigt mit seinen künstlerischen Interpretationen
wie wunderschön und berührend kantoriale Synagogal-Gesänge klingen können. Jüdisches Wien, das
bedeutet eine über tausend Jahre alte Geschichte des Nebeneinanders der Religionen, der Heimischkeit,
der Musik und der Unterhaltung der Weltklasse. Die Szene der Liedermacher und Kabarettisten florierte
ganz besonders im Wien des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts. Populäre jüdische Künstler sorgten
damals fürs typische Wiener Flair, es sind Namen, die bis heute nicht vergessen sind ... Und nach
1945? Nein, wir haben auch ihn natürlich nicht vergessen den Kreisler, den „Taubenvergifter im Park"
und bekennenden Nichtmehr-Österreicher. Auch Georg Kreisler überlebte nur im Exil. In ganz Wien kennt
man aber auch den Namen des jüngst erst verstorbenen Arik Brauer, der Austro-Pop-Liedermacher und
Künstler des Wiener Phantastischen Realismus. Seine Tochter ist die Sängerin Timna Brauer, eine der
hervorragendsten zeitgenössischen Interpretinnen europäischer und jemenitisch-jüdischer
Musiktraditionen. „Die Brauers“ lassen uns in Aufnahmen mit der ganzen Familie tief in familiäre
Traditionen, ihre Religiosität und Rituale blicken. Wien bleibt Wien, dieses bunte, fantastische,
wehmütige und gleichzeitig bittere Wien der Vielfalt wird nie vergehen.
Literaturempfehlung:
Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz. Die Geschichte von Fritz Löhner-Beda,
der die schönsten Lieder der Welt schrieb, und warum Hitler ihn ermorden ließ
Steidl, Göttingen, 2000 (German), ISBN 978-3-88243-715-7 (hardback) ISBN 978-3-88243-892-5 (paperback)
Ist sie wirklich untergegangen, die alte Welt der jiddischen Shtetl in Osteuropa?
Die Welt der Klezmorim, der jiddischen Sprache, ihrer Lieder, der Hochzeiten und
religiösen Rituale? Ende des neunzehnten Jahrhunderts schon setzte die Emigration ein,
ausgelöst durch Armut, Hunger und Pogrome. Zuletzt zerstörte diese Welt noch der
Holocaust ganz, der sich bis in den ehemaligen Ansiedlungsring in Polen, Ungarn und der
Ukraine bis nach Russland zog. „Galizien“ ist eines der Stichwörter, wenn man nach den
Familienherkünften fragt, oder „Bessarabien“…
Vor kurzem erst fand man in der Nationalbibliothek der Ukraine musikalische Handschriften
aus den 20er und 30er Jahren, akkurat notiert, manchmal schwer leserlich: Alte Lieder und
Hunderte von Klezmermelodien, die die Musikologen Moishe Beregovsky und Shlomo Anski
einst gesammelt und ganz schnell vor Ort aufgeschrieben haben. Das sind die Schätze, die
es nun zu heben gilt, abzuschreiben, zu digitalisieren und aufzuführen. Forscher unserer
Tage, wie Joel Rubin, haben bereits andere Sammlungen herausgegeben, auch das allen
zugängliche Ruth Rubin-Repertoire ist sehr bewegend. Hier sang eine Frau, die Forscherin
selbst, die alten Melodien mit den Menschen, die sie ihr anvertrauten, nach…
Nur so entstehen sie wieder, das Lebensgefühl, die Erinnerung an den Klang, an die Musik
der Shtetl … fast verloren und doch sind wiedergefundene Notizen und Aufnahmen die
Lehrmeister einer neuen Generation von Klezmorim und Sängerinnen und Sänger.
Yiddish in New York, das ist Gegenwart und das ist Geschichte. Um 1900, als die
Einwanderer aus den Shtetln Osteuropas sich einschifften, um über den Atlantik zu
kommen, um in New York ein neues, ein würdigeres Leben zu beginnen, brachten sie ihre
Sprache, ihre Kultur und ihre Musik mit. Und die veränderte New York …
Yiddish ist eine Sprache, ist eine Lebenshaltung, ist Theater, Cabaret und Literatur und
ist, mit Klezmer, eine Musik-Richtung. Yiddish ist die Wiederentdeckung der eigenen
Identität nach dem Holocaust, die Suche nach Liedern, Texten und Traditionen zerstörter
Familien. Dieses lebendige Yiddish wird in New York gelernt, gesprochen, gesungen und
gefeiert. Und das jenseits der orthodoxen jüdischen Gruppen, die das religiöse Leben vor
über hundert Jahren in Osteuropa wiederherzustellen versuchen, ohne Fernsehen und Internet.
Im Gegenteil: Die Second Avenue wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts „Yiddischer Broadway“
genannt, ein Viertel mit unzähligen kleinen Geschäften, Restaurants und Lebensmittelläden,
Theatern, Zeitungen, Synagogen und Schulen. Das Revival der Klezmermusik, der
instrumentalen Shtetlmusik, begann einst hier.
Mit dem Zerfall der Sowjetunion kam eine weitere yiddishe Einwanderungswelle nach New York.
Die Archive der ehemaligen Sowjetunion wurden entdeckt und geöffnet. Die Suche nach
vielfältigen Modi, Melodien und Meisterwerken der Klezmermusik und der yiddishen Lieder
nahm seitdem an Fahrt auf: Klingende Zeugnisse einer untergegangenen Kultur, auf
Wachsrollen dokumentiert, Melodien und Liedtexte in Archiven auf tausenden Notizzetteln
geschrieben, das sind die Schätze der Yiddischen Welt in New York, die das „YIVO, Institute
for Jewish Research“ und das „Museum of Jewish Heritage“ beherbergen. Beim "Yiddish New
York-Festival 2020" waren sie durch ihre Interpreten weltweit mit zu erleben, online.
Weihachten in der Karibik, auf Trinidad, auf Kuba, in Grönland, in Japan, in Polynesien und auf den
uns nahegelegenen Mittelmeerinseln.
Inselweihnacht - andere Bräuche, andere Lieder vieles ist fremd und manches doch bekannt. Folgen wir
der Faszination, wie auf atlantischen Inseln, im Pazifik, in Japan und auf den Mittelmeerinseln
Weihnachtslieder gesungen wurden. Und noch gesungen werden. Eine Stunde lang folgen wir den Wellen
quer durch die Ozeane von Insel zu Insel.
Eigentlich stammt er aus dem Gadertal in den nördlichen Dolomiten. Er ist von dort, wo man
Ladinisch spricht und wo Musikkapellen noch echte Jugendtreffs sind. Er spielte elf Jahre
lang in St. Martin im Gadertal die dritte Klarinette, bevor er zu Südtirols führendem
Weltmusik-Percussionisten wurde. Seine beeindruckende Instrumentensammlung hat er im Gewölbe
eines Terlaner Gehöfts untergebracht. Zusammengetragen aus der ganzen Welt, sortiert nach der
Hornbostel-Sachs-Klassifizierung und vor allem: er spielt auch darauf. Mit Herbert Pixner und
Manuel Randi ist er damit regelmäßig unterwegs auf Tournee. Dabei wollte er ursprünglich nur
eines: „Durch die Musik konnte ich eben das Übernatürliche erreichen. Irgendwie konnte ich
mich durch Musik in Verbindung setzen mit dem, was mich nicht angreifen kann. Und immer
wieder versuche ich das den Kindern, den Erwachsenen, jedem zu sagen, dass eigentlich Musik
sehr, sehr viel bewirken kann, und für jeden da ist, nicht nur für die Auserwählten. Musik
ist ein Geschenk für uns alle!“, sagt Max Castlunger im Interview mit Friederike Haupt.
Mit dem „Haydn-Orchester von Bozen und Trient“ fügte er erstmals seine Alpentrommeln aus
hohlen Baumstämmen und Hirschfell mit vielen anderen wunderbaren Klängen ins klassische
Orchester ein. Die Komposition „Erdklänge“ ist eine einzigartige Aufnahme, entstanden 2012
bei den Festspielen Südtirol in Toblach und für „Musik der Welt“ nun auch in BR-KLASSIK zu
erleben.
Tango oder Weltmusik? Tango ist Weltmusik, ist Begegnung zwischen Menschen und Kulturen,
zwischen Geschichte und Gegenwart des Genres. Tango ist Musik zum Tanzen, ist aber auch Tango
Cancion, ein unendliches Lied, das vom Leben und Sterben der Schönheit erzählt …
Auch in Argentinien sind Musiker während der Pandemie ohne Arbeit, sitzen in, vor oder nach
der Corona-Quarantäne ohne ihr Publikum da, machen Aufnahmen, schreiben neue Stücke und
entwickeln Projekte mit einigen wenigen Freunden. So auch Luis Borda, Gitarrist, Komponist
und Arrangeur. Unter Argentiniern gilt er als einer der einflussreichsten Komponisten seines
Landes. Luis Borda ist aber auch ein Münchner. Und er sitzt hier in seiner Wohnung fest,
statt auf den Podien. Bisher pendelte er zwischen Deutschland und Argentinien. Mit seiner
Schwester, der preisgekrönten Sängerin Lidia Borda (Carlos-Gardel-Preis 2018, Argentinien)
waren Konzerte im September 2020 vorgesehen. Mit dem Werk von Luis Borda beschäftigen wir uns
in dieser Ausgabe von Musik der Welt.
Die Musik der Aborigines Australiens ist mehr als nur ein musikalisches Wald-Camp ... Es ist
der Sprung in ein neues Zeitalter, besonders dann, wenn sie sich mit modernsten Techniken
trifft. Denn was da erklingt, sind unerhörte Klangfarben, ein obertonreicher Sound, den wir
Europäer erst langsam wahrzunehmen lernen in seinem Farbenreichtum und in seiner Dynamik.
Feinste Unterschiede im Klang, auf die wir zu achten nicht gewöhnt sind markieren einen
Felsen, einen Baum, ja einen Weg durch den australischen Outback... Das war Musik, die die
Wochen der Quarantäne in Italien mit einem tiefen Klang und einer Vibration, die bis auf die
Knochen geht, erfüllte, mit unbekanntem Sinn und einer uralten Kultur, die in der Natur bis
heute überleben kann … Das wäre die Kultur der Aborigines, wenn sie in Ruhe gelassen würden!
Kulturbegegnung auf Klangebene:
Wunderbare Musik, die auf Ritualen und Tänze der ältesten durchgehenden Kultur der Menschheit
beruht, erfüllt den Raum. Ein einziger hohler Eukalyptusast kann unglaubliche Töne produzieren
mit Rhythmen, Klangfarben, Obertönen, und überblasenen Akzenten, die wie Tierschreie im wilden
Outback Australiens klingen. Es ist wahr, dass sie den Busch und seine Gesetze auf der langen
Röhre in Musik abzeichnen, das verstanden wir Europäer erstmals staunend, als die traditionelle
Musik der Australier langsam zu uns kam. Das war in den neunziger Jahren, eine fantastische
Zeit der Erkundung der Musik der Welt: Forscher veröffentlichten, ihre Tonaufnahmen wurden zum
Medium, Musiker aus anderen Kontinenten auf Augenhöhe zu erleben wurde so möglich. Am
spannendsten war und blieb die Emanzipation des Didgeridoo mit seinem tiefen, dunklen
kreisenden Sound und seinen farbenreichen Obertönen. Doch sie hatte einen hohen Preis …
Welche Musik will man in der Quarantäne überhaupt noch hören, besonders wenn man selber Musiker ist und nicht raus darf, nicht einmal zum Proben? "Swing Manouche Italiano“ half unserer Autorin in Quarantäne, die ersten Tage bei Laune zu bleiben. Im CD-Regal stehen die großen Namen der italienischen Musik, Paulo Conte, Etta Scollo, Gianmaria Testa, hochgenialer italienischer Jazz, Gianluigi Trovesi, Enrico Rava und Freunde, dann der irrlichternde Sarde Paulu Fresu … will man die in der Quarantäne hören oder lieber all die anderen, Unbekannten, die da noch vor sich hindämmern im Regal? Nein, diese Sendung kann keine Übersicht sein, nicht einmal eine bestimmte Auswahl. Die Frage ist, was möchte man eigentlich in so einer essentiellen, beschränkten Situation überhaupt noch hören? Welche Musik baut auf? Was wird wichtig? Italienische Musik, mal ganz abgesehen von der Kunstmusik, ist ein Universum per se: Von der vokalen Artistik der Trallaleri in Genua bis zur rhythmischen Tarantella-Ekstase in Apulien. Und dazwischen bewegen sich Welten unterschiedlicher italienischer Volksmusik in verschiedenen Dialekten… Aber alles war ganz anders! Große Oper und kleine, namenlose Sänger vereinen sich in dieser Sendung, ladinische Volksmusik und … ja, die Tarantella ist auch dabei!
Eine Sendung mit Originalaufnahmen aus dem Leben der Bergbewohner Vietnams. 1949 reiste der junge Ethnologe Georges Condominas mit gerade einmal 27 Jahren in das Dorf Sar Luk, um mit den Bergbewohnern im Hochland zu leben. Dabei machte er eine unerwartete archäologische Entdeckung. George Condominas gilt als einer der wichtigsten Ethnologen des zwanzigsten Jahrhunderts neben seinem älteren Kollegen Claude Levi-Strauss, der am 30. Oktober 2009 gestorben ist. Beide Ethnologen sind französischer Herkunft. Beide Ethnologen teilen den Respekt vor fremden auch schriftlosen Kulturen und stellen die Frage nach der eigenen Kultur. Ist sie, unsere westliche Zivilisation, wirklich so erhaben und über andersgeartete Kulturen stehend? Oder nehmen wir selbst nur Teilstücke einer Realität wahr, die zivilisatorisch entkernt wurde? Ähnliche Fragen können wir für die Musik stellen angesichts der Vielfalt an musikalischen Stilen in einem Land wie Vietnam, das höfische Zeremonialmusik kennt, Kammermusik, Theater- und Vokalkunst, das einen reichen Volkskunstschatz aufweist und eine unendlich schöpferische Fantasie im Instrumentenbau. Unweit des Dorfes Sar Luk fand Condominas 1949 ein uraltes Instrument, ein Lithofon. Dieses Steinklavier aus sieben grob behauenen Steinen, Gong-Rituale, Gesänge und die Bambus-Musikinstrumente der Dorf-Bewohner nahm Condominas zehn Jahre später, 1958, mit dem Toningenieur Jean Schwarz auf. Kostbare Tondokumente einer unwiederbringlichen Kultur.
Mehr als viertausend Jahre alt, so schätzen Forscher, sind die großen Steinmarimbas, die im Hochland von Vietnam gefunden wurden, dort wo die Montagnards, die Bergvölker leben ... 53 sogenannte Minderheitenvölker zählt man in Vietnam, einige davon transportieren hochinteressante musikalische Entwicklungen und Instrumente seit Jahrhunderten weiter und befruchten damit auch die Kunstmusiktraditionen Vietnams. Fantasievolle wohlklingende Instrumente aus Bambus versetzten bei einer Aufnahme im Studio 1 des Bayerischen Rundfunks die Anwesenden in Staunen. Vietnams Musikwelt ist ein Mosaik aus Instrumenten, Gattungen und Einflüssen. Nicht nur zwischen Hanoi und Saigon, heute Ho-Chi Minh-Stadt, sondern auch in der subtropischen und tropischen Bergwelt in den Grenzgebieten befruchteten sich Traditionen gegenseitig. Die Flöte aus dem Volk der weißen Hmong zum Beispiel ist in ganz Vietnam beliebt und bekannt. Dass Musik der Bergvölker von Vietnam bei uns im Studio 1 des Bayerischen Rundfunks aufgenommen werden konnte, verdanken wir einem glücklichen Zufall ...
Die Reportage unternimmt den Versuch, die Situation in Südtirol - Alto Adige aus kultureller Sicht zu analysieren. Wie stehen deutschsprachige und italienischsprachige Bürger heute zueinander? Ein Reality Check.
Erinnern Sie sich noch, was in der Familie gesungen wurde? Erinnern Sie sich an
Schlaflieder, an Wiegenlieder, die Sie vielleicht Ihren Kindern vorgesungen haben? An die
Straßenlieder und Gassenhauer ihrer eigenen Kindheit? Waren die anders? Diese Erinnerungen
erzählen uns jede Menge über unsere Identität, über Herkunft und Wurzeln. „Wiegenlieder aus
aller Welt“ prägten meine eigene Kindheit, eine Schallplatte der Kinderhilfsorganisation
„Terre des Hommes“ Anfang der 1970er Jahre, einfache Tondokumente mit Schlafliedern aus
verschiedenen Ländern der Erde. Da sang eine Koreanerin „Uri Aki“ und daneben eine Spanierin
mit rauer Stimme ihr warmes „Arroro mi nino“. Eine schwarzamerikanische Sopran-Stimme
entführte uns in die Welt kleiner Pferde und eine pakistanische Mutter intonierte in
seltsamer Tonalität ihr trauriges „Lori, lori“ … Was für eine fremde Welt!
Originalstimmen, aufgenommen vor Ort, erzählten von den Färbungen unterschiedlicher
Tonalitäten, von Sprach-Räumen und Kinder-Träumen. „Di-di-pi-juan Liao“, das chinesische
Lied begeisterte mich besonders. Ich sang es oft nach und versuchte, die Sprache nachzuahmen.
Irgendwann kam mein Vater ins Zimmer und sagte: „Sing das nochmal … richtig, die Terz ist
nicht groß und nicht klein, die ist genau in der Mitte und Du singst es genauso.“ Was für
eine Frage, keine Kuckucksterz in Moll und auch keine Dur-Terz? Was dann? So wurde ich
Musikologin. Die chinesische Terz und die Lieder gibt es noch.
Inzwischen veröffentlicht auch der Carus-Verlag regelmäßig ein Liederprojekt, Kinderlieder
und Schlaflieder, Weihnachtslieder aus aller Welt und auch Wiegenlieder aus aller Welt.
Die nun sind weit entfernt von den wundersamen Originalaufnahmen mütterlicher Stimmen von
damals, ohne Instrumente und ohne technische Hilfen. Aber es entsteht etwas Neues: Eine neue
deutsche Identität, die sich einbettet in eine europäische Identität. Da sind viele deutsche
Lieder, in verschiedensten Sprachen, aber auch ungarische neben italienischen, oder finnische
neben französischen Liedern. Und Türkisch, Hebräisch und Arabisch ist auch dabei. Und das
Ganze auch noch zum Mitsingen … für Alle!
Was ist Frieden überhaupt? Mehr als die Abwesenheit von Krieg? Eine Übereinkunft, eine
gelungene Kommunikation oder ein Gefühl?
Unsere Autorin Friederike Haupt geht der Frage musikalisch nach. Ihre Reise zur Frage
nach Friedens-Konzepten in der Musik beginnt mit einem Cello in „Südtirol“ - auch „Alto
Adige“ genannt - und endet in „Jerusalem“, die Stadt im Zentrum dreier Religionen, die
auch „Al Quds“ heißt. Zwischendrin werden wir die Auseinandersetzung junger
deutsch-jiddischer Musiker mit Weihnachten und Chanukka erleben und eine serbische
Komponistin mit einem traditionellen „Dona nobis pacem“...
In Israel verbinden Studenten der Universität Haifa palästinensische und jüdische
Musiktraditionen des Orients und des Abendlands. Wir erfahren mehr im Interview mit dem
Leiter des Musikinstituts, dem Komponisten Prof. Yuval Shaked. Musik wird ausgetauscht,
tradiert, weitergegeben und verändert, soviel fanden die Forscher in Haifa heraus, und
kreierten die Idee des „Caravan-Orchesters“, voneinander lernen, miteinander spielen!
Frieden, das ist auch eine Frage der Wahrnehmung. Klingt er immer schön und harmonisch?
Komponisten, wie der Italiener Mauro Cardi setzen sich auseinander mit der akustischen
Umwelt unserer Zeit, versuchen unsere Ohren zu sensibilisieren für das, was wir
vielleicht ablehnen. Dissonanzen, Geräusche, ungewöhnliche Klänge, die musikalische
Qualität von akustischen Elementen gilt es zu erforschen.
Gerade im Advent wimmelt es doch nur so von Harmonien: Farben, Formen, Klänge werden
uns serviert wie ein süßlicher Zauber und überschwemmen unser Gehör. Sind da ein paar
Dissonanzen nicht ganz erfrischend zu „Weihnukka“?
Nach Belgrad? Drei Münchner Buchläden hatten keinen Stadtführer. Serbien? Kroatien können
wir ihnen anbieten. Nein, ich möchte nach Serbien, das ist nicht in der EU. Früher war das
alles mal Jugoslawien: Das Land mit den genialen Musikern, die alles spielen und fast
überall mitspielen können, die diese fantastischen Rhythmen haben, ungerade und gerade,
und diese mitreißenden und bewegenden Melodien, die oft orientalisch und immer nach Balkan
klingen. Balkan, was ist das? Existiert der Balkan als musikalische Einheit noch, mit
seinen rumänischen, moldawischen, albanischen, kroatischen, serbischen Melodien und
Rhythmen, die transportiert und durcheinandergerüttelt wurden von genialen Roma- und
Sinti-Musikern? Oder gibt es in Belgrad jetzt ausschließlich serbische Lieder und Melodien?
Alles getrennt - oder wie immer gemischt?
Gibt es in Serbien eine Wiedergeburt serbischer Volksmusik - Traditionen, zur
Identitätsabsicherung, und in Kroatien kroatische? Belgrad ist ein Kosmos!
Serbisch-orthodoxe Kirchen strahlen wie neu in Weiß und Gold. Im Inneren wird die Liturgie
auswendig und mit vielen Verzierungen gesungen. Draußen gibt es arm und reich, verrottend,
alt und neu und jeder sagt: "Ja, bald soll es besser werden.". Es liegt ein trotziger
serbischer Nationalismus in der Luft und irgendwo ein nostalgisches Lied, das an
Jugoslawien erinnert … Aber da, wo gefeiert wird, da birst die Luft von immer schneller
rasenden Geigen, vom rhythmischen Zucken des Akkordeons, vom Quintfall am Kontrabass und
schluchzenden Klarinetten.
Die Komponistin Dijana Bošković erinnert sich an die Hochzeiten in ihrer Jugend.
Kennen Sie das Ruth Rubin Repertoire? Das ist nur einer der musikalischen Schätze, die beim
„Yiddish Summer Weimar“ jährlich gehoben werden. Und in diesem Jahr war es ganz besonders …
Das „Haus der Weimarer Republik“ öffnete diesen Sommer seine Tore und zeigte Aufstieg und
Scheitern der Republik von 1919 bis 1933, währenddessen lief zeitgleich das Festival
"Yiddish Summer Weimar" unter dem Motto „The Weimar Republic of Yiddishland“. Und das ist
eine virtuelle, eine musikalische, eine sprachliche Republik. Wer Yiddish oder Jiddisch
spricht, singt, Konversation betreibt, ist ein Teil von Yiddishland, ganz klar. (Es ist die
alte Sprache der Ashkenazim, der ursprünglich aus Deutschland stammenden Juden, die nach
Osteuropa auswanderten und dort die berühmte Schtetlkultur aufbauten). Aber was hat das mit
der Weimarer Republik zu tun? Das Festival gab einige Antworten: In Form von Theaterstücken,
von Liederabenden und von Kabaretts. Jawohl, die Weimarer Republik war tatsächlich die Zeit
der jiddischen Verlage, Konzerte, des Kabaretts, sogar eine Oper entstand. Oder besser
gesagt: Eine jiddische Oper wurde gefunden. Wie viele es einst gab, wer weiß es? Dank der
Bundeskulturstiftung konnte Festivalleiter Alan Bern eine ganze Reihe prominenter Vertreter
der jiddischen Kultur nach Weimar einladen. Eine der faszinierendsten Gestalten ist Efim
Chorny aus Moldawien. Der zahnlückenreiche magere Mann ist einer der aussagekräftigsten
jiddischen Volkssänger. Er transkribierte viele Lieder des Ruth Rubin Repertoires, singt
sie, und die Autorin betrachtet ihn als ihren Lehrer … Das Ruth Rubin Repertoire? Über 2000
jiddische Original-Aufnahmen aus den 50iger und 60iger Jahren sind das, Lieder aus der
Sowjetunion, aus New York, und … Die „Wax-Band“ aus Frankreich mit ihren Wachswalzen lässt
erahnen, wie es damals wirklich geklungen haben könnte.
Tunesien, dann Ägypten, Jordanien, Jemen, auch Saudi-Arabien, später Libyen und Syrien - die
arabische Welt ist fast täglich in den Nachrichten. Aufruhr, politische Umwälzungen,
Neuorientierungen und Revolutionen rücken in unser Bewusstsein, nicht aber die Kunst
des jeweiligen Landes. Insbesondere angesichts der islamistischen Bedrohung auch in diesen
Ländern spielt die Musik eine herausragende Rolle.
Die abendländische Musik, ja das abendländische Denken wurde auch von der Hochblüte der
arabischen Kultur des Mittelalters geprägt. Ganz anders in den vergangenen Jahrzehnten,
islamistische Vordenker und Herrscher schränken die Musikausübung ein. Die Musik selbst
gilt Fundamentalisten als so mächtiges Instrument, weil sie die Seele der Menschen bewegen
und befreien kann. Alles Auslegungssache, sagen Fachleute, denn die Stelle, die im Koran
die Musik aktiv verbietet, die wurde noch nicht gefunden. Aus der arabischen Kultur gingen
bedeutende musikalische Impulse hervor. Die jahrhundertealte herausragende Kunst auf
Saiteninstrumenten wird von Trommeln mit komplizierten Rhythmen begleitet. Die Poesie
steht im Mittelpunkt auch der Instrumentalmusik.
An der Spitze der arabischen Sängerinnen steht bis heute die große ägyptische Sängerin
Umm Kulthum, die Callas des Orients. Sie war ein Dorfkind des beginnenden zwanzigsten
Jahrhunderts, groß geworden im Umkreis musizierender Scheichs mit ihren spirituellen
Korangesängen. Sheikh Ahmad Al-Tuni aus Oberägypten gibt einen Einblick in diese Tradition.
Als junge Frau reifte Umm Kulthum in Kairo zur einzigartigen Künstlerin, die die Poesie
ihres Landes in Gesang umsetzte. "Wenn Umm Kulthum ihre Stimme erhob, sank der Orient
nieder", schrieb die Presse.
Das orientalische Musiksystem ist grundlegend anders als das westliche. Improvisation
ist ein wichtiger Teil der klassischen Musik. Und die Vierteltöne. Es gibt den arabischen
oder irakischen Viertelton, den ägyptischen und den türkischen Viertelton. Sie sind
verschieden, erklärt der Bagdader Lautenist Layth Abdul Ameer. Seine Lautenkunst gewährt
Einblicke in dieses komplizierte arabische Musiksystem. Und um uns Westlern die Vierteltöne
verstehbarer zu machen, hat er sie in sein elektronisches Klavier eingespeichert...
Hat Domenico Scarlatti als Komponist am spanischen Hof wirklich nachts, am Rande von Sevilla,
heimlich den Gitanos gelauscht? Hat er Einflüsse des Flamenco mitaufgenommen? Für Spaniens
Könige und erst recht für die Kleriker der Inquisition waren das „Verbotene Klänge“.
Im gleichnamigen Buch beschreibt der Komponist Reinhard Febel auch den Moment in der
"Semana Santa", wenn im dunklen Rhythmus des unsichtbaren Gleichschrittes die Heiligenbilder
durch die Orte getragen werden. Erlaubte Klänge sind das, diese gebremsten Rhythmen der
Semana Santa ...
Klänge des Verbotenen gibt es immer dort, wo zwei oder mehrere gesellschaftliche Systeme
aneinander stoßen, wo Reibungen entstehen, wo Unerwünschtes unterdrückt werden soll, wo
Meinung „gemacht“ und wo Emotion gelenkt werden soll, sei es politisch oder religiös
motiviert. In Grönland zum Beispiel wurden einst die schamanischen Trommeln verboten,
die Missionare brachten dafür Rhythmus freie Chormusik ins hoffentlich ewige Eis. Die
richtige Musik sollte zum Seelenheil führen.
Im fundamentalistischen Islam ist öffentliches Musizieren immer noch verboten, obwohl zum
Beispiel bei Pakistans Derwischen Gesang und Tanz zur Religion dazugehört. Denn Musik bewegt.
Die Werbung weiß das leider am besten …
Auch politische Systeme nützen gern die Kraft der Rhythmen, der einfachen Harmonien und
Melodien als rudimentäre Bestandteile zur Beeinflussung durch Musik - und verbieten freies
Musizieren. In Deutschland war das einmal so, auch in den sowjetischen Ländern und in der DDR.
Und bis vor kurzem wussten die Südkoreaner nicht, was die Nordkoreaner so singen …
Eine Sendung mit Originalaufnahmen aus dem Leben der Bergbewohner Vietnams. 1949 reiste der junge Ethnologe Georges Condominas mit gerade einmal 27 Jahren in das Dorf Sar Luk, um mit den Bergbewohnern im Hochland zu leben. Dabei machte er eine unerwartete archäologische Entdeckung. George Condominas gilt als einer der wichtigsten Ethnologen des zwanzigsten Jahrhunderts neben seinem älteren Kollegen Claude Levi-Strauss, der am 30.Oktober 2009 gestorben ist. Beide Ethnologen sind französischer Herkunft. Beide Ethnologen teilen den Respekt vor fremden auch schriftlosen Kulturen und stellen die Frage nach der eigenen Kultur. Ist sie, unsere westliche Zivilisation, wirklich so erhaben und über andersgeartete Kulturen stehend? Oder nehmen wir selbst nur Teilstücke einer Realität wahr, die zivilisatorisch entkernt wurde? Ähnliche Fragen können wir für die Musik stellen angesichts der Vielfalt an musikalischen Stilen in einem Land wie Vietnam, das höfische Zeremonialmusik kennt, Kammermusik, Theater- und Vokalkunst, das einen reichen Volkskunstschatz aufweist und eine unendlich schöpferische Fantasie im Instrumentenbau. Unweit des Dorfes Sar Luk fand Condominas 1949 ein uraltes Instrument, ein Lithofon. Dieses Steinklavier aus sieben grob behauenen Steinen, Gong-Rituale, Gesänge und die Bambus-Musikinstrumente der Dorf-Bewohner nahm Condominas zehn Jahre später, 1958, mit dem Toningenieur Jean Schwarz auf. Kostbare Tondokumente einer unwiederbringlichen Kultur.
Kennen Sie die Morin-Khuur? Sogar der weltbekannte Cellist Yo-Yo Ma hat sich an der spannenden mongolischen Pferdekopfgeige versucht. Die Reisenden auf der antiken Seidenstraße trafen dieses merkwürdige Streichquartett mit seinen eckigen Instrumenten erst dann an, wenn sie die zentralasiatischen Nachfolgestaaten der UdSSR, dann die uigurische Metropole Kashgar und die endlos scheinende Wüste Taklamakan hinter sich gelassen hatten und auch die Oase der Dünenklöster von Dunhuang. Wir sind bereits mitten in China! Erst jenseits der Wüste treffen wir auf diese mongolische Pferdekopfgeige, sie kündigt einen völlig anderen, einmaligen Kulturraum an! Türkische, arabische, persische, indische und chinesische Musikkulturen trafen aufeinander in Buchara und Samarkand, in der Welt des Tamerlan und darüber hinaus. Die zentralasiatischen Regionen, die wir durchreisten waren immer schon Treffpunkte von Kulturen. Faszinierende Musik entstand, unendliche Melodik in tonalen Systemen der "Maqam" der arabischen Kunstmusik, die die gesamte islamische Welt durchziehen. Diese "Maqam" sind monophon, in der Grundlage einstimmig, gespielt von den Lauten Dotar, Rubab, Oud, Tar und Setar, den Geigen Kamantsche und Ghaichak und von Zithern, wie Kanun und Santur, eine Art Hackbrett. Die vielen mikrotonalen Strukturen sind das, was die "Maqam" so interessant, so spannend für uns macht. Tonräume, die bei uns im Westen gar nicht vorkommen! Tiefe Gefühle, Spiritualität und amouröse Emotionen aber auch die Epen-Erzählungen der Wüstensänger, alles lässt sich mit den vielfältigen Saiteninstrumenten Zentralasiens ausdrücken und begleiten, ein Schillern zwischen arabischem Melos, chinesischer Anmutung und türkischem Epos. Die wunderschöne große Laute Pipa dagegen gehört zur klassischen Kunstmusik Chinas, genauso die pentatonisch gestimmten Wölbbrettzithern Ostasiens. In der chinesischen Klang-Welt kann man übrigens auch eines der ältesten Saiteninstrumente der Menschheit erleben: Es ist die möglicherweise schon 5000 Jahre alte chinesische Zither Qin. Schon Konfuzius soll sie gespielt haben.
Vom Okzident in den Orient und umgekehrt, die antiken Seidenstraßen waren bis ins 14. Jahrhundert ein Netz von Karawanen-Wanderwegen, die von Westen nach Osten zogen. Nicht einseitig, sondern hin und her ging der Handelsstrom, es war ein Geben und Nehmen zwischen Asien und Europa, auch Kulturgüter wurden ausgetauscht in den Karawansereien, Kleidung, Geschichte und Geschichten. Die Händler brachten Gewürze und Seidenstoffe aus dem Orient, aber auch Instrumente und Spielweisen wanderten mit. Geigen, Lauten, Zithern? Wir folgen den Ahnen unserer europäischen Instrumente … Geografisch bewegen wir uns auf der Seidenstraße entlang heutiger politischer Brennpunkte. Wir glauben, die Zustände in Syrien, Irak, Iran, Afghanistan schon ganz gut zu kennen. Aber kennen wir sie wirklich? Ihren Instrumenten zu lauschen ist einer der besten Wege, um tiefer und direkt ins Herz einer anderen Kultur vorzustoßen…". Von Venedig geht es mit dem Schiff in den Libanon und weiter nach Damaskus, nach Bagdad und in den Iran, über Isfahan oder Mashhad zu den Perlen der persischen Kultur. Vom Iran dann weiter mit einem Abstecher ins schöne Afghanistan der siebziger Jahre, um das einzigartige Rubab von Herat noch einmal zu erleben. Rubab, das ist die gehörnte Laute, die man in verschiedensten Formen in ganz Zentralasien findet. Aus Iran soll ursprünglich die arabische klassische Laute Oud stammen, auch die Langhalslauten Tar und Setar, und das Hackbrett Santur. Tambur kam aus der indischen Musik dazu und Dotar, die zweisaitige Laute ist ein uns völlig unbekanntes Instrument der Kunstmusik. Wir werden die brilliante usbekische Dotar in Samarkand erleben, faszinierend, was man auf zwei Saiten alles machen kann! Buchara und Samarkand, diese berühmten Städte der Seidenstraße im usbekischen Zentralasien sind Schnittpunkte von Kulturen. Mazedonische, mongolische und später islamische Herrscher bildeten eine wechselvolle Geschichte in dieser nomadischen Region, deren architektonische Zeugnisse heute Tourismusattraktionen sind. Schamanismus, Islam, Buddhismus verschmolzen hier oft miteinander. Der post-sowjetische Transformationsprozess verbindet russische musikalische Prägung mit alten Traditionen. Schon vor unserer Zeitrechnung aber wurde hier gehandelt, die Karawanen zogen durch. Größere jüdische Kolonien entstanden, tausend Jahre alte jüdische Gemeinden prägten die musikalische Kultur in Samarkand mit.
Was ist es, das seine Lieder so unwiderstehlich, so berühmt machte? Oft sang er im Dialekt, auf Ligurisch, Neapolitanisch, Sardisch, wer versteht das schon? Er textete kritisch, sarkastisch, empfindsam, geprägt von den französischen Chansonniers und man nannte ihn schon 1968 den singenden Feingeist, den Poeten. Und doch, es war mehr als nur seine Texte, die den Zeitgeist Italiens ins Mark trafen, es war auch seine Stimme. Dieses unverwechselbare Timbre, das bis heute die Cantautori und Sänger auch im Pop und Rock Italiens prägt, seine Stimme traf das Feeling einer ganzen Generation. 1979 geschah es überhaupt zum ersten Mal, dass eine Rockband von Format einen Liedermacher begleitete. PFM (Premiata Forneria Marconi) war die führende Band der Achtziger in Italien, die legendäre gemeinsame Tournee wird zum 40. Jahrestag von PFM groß gefeiert, Buch-Neuerscheinungen und Filme würdigen den Liedermacher 2019. Was ihm damals davon blieb war Mauro Pagani, der Multiinstrumentalist und Komponist. Er prägte von nun an die Lieder Fabrizio De Andrés durch seine feine Art der Weltmusik, das Zusammenwürfeln von Latin, orientalischen Instrumenten und Rhythmen, von traditionellen sardischen Launeddas mit O- Tönen und Geräuschen. Zum Beispiel bei „Creuza de mä“ - „Der Weg zu Meer“. Neue ehrliche Lieder zum Mitsingen und Mitfühlen auf Ligurisch waren das, doch die alten blieben und sie bleiben bis heute: Ob das „La Guerra di Piero“ ist „Bocca de Rosa“ oder "Fiume Sand Creek" ... diese Lieder prägen Italien. Im Januar 1999 starb Fabrizio De André an Lungenkrebs.
…also, der Rabbiner, der am Weihnachtsabend einen Besuch bei Gemeindemitgliedern machen möchte, hört Lachen und laute Tanz-Musik. Er macht sich an der Türe bemerkbar und die Musik verstummt mit einem Mal. Als er den Raum betritt, machen alle ernste Gesichter und stehen betreten vor einem geschmückten Baum herum. Schnell verabschiedet sich der einfühlsame Geistliche. Als er wieder auf der Straße ist und sich ein paar Schritte vom Haus entfernt, hört er, wie die Musik wieder aufgedreht wird … „Weihnukka“ eben! Lieder, Spiele, Rituale, an "Weihnachten" und "Chanukka" sind ganz verschieden. Und doch … In Israel steht auf dem traditionellen jiddischen Dreidel „Ein großes Wunder geschah hier“, es ist das Öl-Wunder, das Licht-Wunder bei der Wiedereinweihung des Tempels, das seinen Ausdruck jedes Jahr im Licht des Chanukka-Festes findet. Weihnachtslieder dagegen lassen bei vielen die Augen feucht werden, sie wecken Kindheitserinnerung und bieten Identität. Aber stimmt das eigentlich, sind sie es wirklich? Verkitscht jedenfalls werden beide Feste. Im "Salzburger Advents-Singen" sucht die Autorin als Gegenstück zu den traditionellen Chanukkaliedern die musikalischen Ursprünge alpiner Weihnachtstraditionen.
Afrika kommt: und Vorreiter ist Südafrika. Tanz, Theater und Musik aus Südafrika erscheinen jetzt auf den großen internationalen Festivals. Unsere Autorin Friederike Haupt hat einige davon erlebt und widmet diese Sendung einem ganz besonderen Ensemble, dem „Buskaid Soweto String Ensemble“. Soweto, die Townships sind der Weltöffentlichkeit als Problemzonen bekannt. Hier setzte das Buskaid vor Jahrzehnten an, indem eine Gruppe britischer Musiker „busken“ ging, also freiwillig Straßenmusik machte, um in Südafrika junge Musiker aus den Townships zu unterstützen. Regelmäßig Unterricht und ein Sandwich machte in gut zwanzig Jahren aus Township-Kindern professionelle Musiker. Sie touren jetzt um die Welt um die pädagogische Arbeit vor Ort, die Buskaid Musikschule zu unterstützen, die, wie einige andere Musikschulen vor Ort, das kreative Potenzial der Kinder fordert und fördert. Die Gründerin des „Buskaid“, Rosemary Nalden aber arbeitete zuvor als Bratscherin mit Sir John Eliot Gardener und anderen Barockvirtuosen zusammen. Sir John war der erste Dirigent von Weltrang, der die musikalische Kraftentfaltung dieser jungen Musiker aus Soweto erkannte …
Ein kleines Dorf irgendwo in der Maremma: „Canzone di Napoli“ und „Canciones Argentinas“ werden versprochen. Hat das etwas miteinander zu tun? Der große Tango-Komponist Astor Piazzolla war italienischen Ursprungs, wie tausende andere Familien, so verließ auch seine Familie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts das arme Italien, um in Argentinien besser leben zu können. Die Familie der weltbekannten Pianistin Martha Argerich dagegen kam aus Wien nach Argentinien, eine jüdische Mutter, auf der Flucht vor den Nazis. Diese kamen erst später über den Teich und lebten in deutschen Enklaven um ihre Untaten zu verbergen. Davon sprechen wir nicht. Sondern von den Großmeistern der klassischen Musik, wie Daniel Barenboim, viele wurden in Argentinien geboren … und es gibt eine Reihe argentinischer Komponisten. Sie bereicherten ihr Land und manche brachten es zu Weltruhm. Argentinien, Uruguay, Brasilien sind Einwanderungsländer. „Klar, Migration macht die Musik erst interessant, auch Wagner und Verdi haben viel Fremdes aufgenommen,“ sagen uns die Jugendlichen des „Youth Orchestra of Bahia“, nachdem sie gerade Wagners Meistersinger-Ouvertüre zum Besten gegeben haben. Brasilien ist vielleicht weltweit das Land mit den meisten unterschiedlichen Einflüssen. Salvador de Bahia? Das kannten wir doch bisher eher als Samba-Rhythmus-Paradies im Carneval! Der Tango oder die Tarantella, die Oper, la Canzone napoletana „O sole mio“ und „Santa Lucia“, gehören sie nicht uns allen? Heimische Musik ist das, was man liebt, was man mitnimmt und was man aufnimmt ... Noapolis nannte die israelische Sängerin Noa ihre Liebe zu Neapel. Auch Mozart war schon ein bekennender Neapolist.
Afrika kommt: und Vorreiter ist Südafrika. Tanz, Theater und Musik aus Südafrika erscheinen jetzt auf den großen internationalen Festivals. Unsere Autorin Friederike Haupt hat einige davon erlebt und widmet diese Sendung einem ganz besonderen Ensemble, dem „Buskaid Soweto String Ensemble“. Soweto, die Townships sind der Weltöffentlichkeit als Problemzonen bekannt. Hier setzte das Buskaid vor Jahrzehnten an, indem eine Gruppe britischer Musiker „busken“ ging, also freiwillig Straßenmusik machte, um in Südafrika junge Musiker aus den Townships zu unterstützen. Regelmäßig Unterricht und ein Sandwich machte in gut zwanzig Jahren aus Township-Kindern professionelle Musiker. Sie touren jetzt um die Welt um die pädagogische Arbeit vor Ort, die Buskaid Musikschule zu unterstützen, die, wie einige andere Musikschulen vor Ort, das kreative Potenzial der Kinder fordert und fördert. Die Gründerin des „Buskaid“, Rosemary Nalden aber arbeitete zuvor als Bratscherin mit Sir John Eliot Gardener und anderen Barockvirtuosen zusammen. Sir John war der erste Dirigent von Weltrang, der die musikalische Kraftentfaltung dieser jungen Musiker aus Soweto erkannte …
70 Jahre Israel, wie klingt die Wirklichkeit dieses Landes? Ob aus Osteuropa oder aus dem Jemen, ob aus Bagdad, Berlin oder Charkov, aus Galizien, Russland, Polen, der Ukraine, oder aus der arabischen Welt: Von überall her kamen die Einwohner aus der Diaspora zurück, aus dem Exil und sie brachten Musik mit: Vom jiddishen Liedele bis zum jemenitischen Klagegesang, so klang ihre alte Welt. Aber wie klang das neue, junge Israel? Wie formulierten Stars und Sternchen mit Musik die neue Identität in Eretz Israel? Hebräisch ist die heilige, alte - und die neue Sprache des jungen Landes. Aber wie klingt Jerusalem heute? An der Universtität Haifa wird darüber geforscht, israelische und palästinensische Lieder werden verglichen, und man arbeitet mit "Soundscapes". Klingende Bilder erzählen über Identitäten, die Menschen mit Sprache und Musik formulieren. Der Leiter der künstlerischen Abteilung der Uni Haifa, Komponist Prof. Juval Shaked wuchs selbst im Kibbuz auf. Das osteuropäische Jiddish, Sprachen und Musik der Herkunftsländer waren im jungen Israel "out", erzählt er. Und noch vielmehr die klassische arabisch-jüdische Musik der Misrachim und ihr arabisch-jüdischer Dialekt aus Bagdad. Erst jetzt werden diese musikalischen Ressourcen wirklich genützt, denn nach 70 Jahren ist die musikalische Identität Israels stabil genug, um sich mit den Klängen von früher einzulassen. Wir werden Jiddishes Cabaret bei YUNG JiDiSH im Busbahnhof von Tel Aviv erleben und die arabisch-jüdische Musizierweise der Bagdadis mit Yair Dalal. Die bekannten jemenitischen Popsänger wie Ofra Haza, oder Shoshana Damari, die aber gab es schon seit der ersten Stunde im Lande.
Die
Jahreszeiten von Antonio Vivaldi auf Orientalisch, ist das möglich?
"Orient und Okzident und nicht mehr zu trennen" schreibt Goethe in
seinem West-östlichen Diwan. Sind sie aber doch...
Wenn man die abendländische klassische Musik und die Kunstmusik des Orients studiert,
stößt man auf Hindernisse und Unvereinbarkeiten, die größer kaum sein könnten:
Schon der Barockviolinist Giuseppe Tartini, festigte mit seiner Entdeckung der
sogenannten "Tartini-Töne", der sogenannten Terzi Suoni bereits um
1715 theoretisch die Naturgesetzlichkeit der Europäischen Harmonik. Was aber
ist dieser "Terzo Suono", was sind diese geheimnisvollen
"dritten Töne", die erscheinen, wenn ein Streicher reine Intervalle
spielt? Der italienische Meistercellist Alejandro Biancotti führt sie uns vor
und klärt damit eines der Geheimnisse der berühmten italienischen
Violinschule des Giuseppe Tartini auf.
Doch was sind dann die arabischen oder türkischen Vierteltöne, die Töne zwischen
den Tönen, die in der Musiktheorie des Orients so viel beschrieben werden und auch
heute noch erklingen?
Gibt es "Vierteltöne" auch in der Obertonreihe? Ist das Spiel mit
Vierteltönen etwa der Reiz des Ungeraden, Ungereimten? Wie klingt ein
Israelischer Chor mit einem Palästinensischen Chor, - der Vierteltöne kennt
- ,gemeinsam? Kann das gutgehen? In dieser Sendung ist es zu erleben u.a.
mit "Voices for Peace" und Timna Brauer im Interview.
Unsere Hör-Reise führt von Norditalien bis in einen kleinen Musikalienladen mitten
in Istanbul, nach Israel und Palästina und zuletzt in den Libanon...
Im Mai 2018 jährt sich die Staatsgründung Israels zum 70. Mal. Das kleine Land zählt zu den hundert kleinsten Ländern der Erde, und doch in Kunst, Musik und Bildung ist Israel ein Gigant. Grund genug einmal genau hinzusehen: Was machen israelische Komponisten eigentlich an Neuer Musik in Israel? Der Saxofonist Ariel Shibolet zum Beispiel: Ein Entdecker, der seinem Instrument die unglaublichsten Klangfarben entlockt, er scheut sich dabei nicht, bis an die Schmerzgrenzen zu gehen. Ariel Shibolet ist einer der Künstler, die in Tel Aviv die Szene ausmachen, Künstler, die an Hotspots leben müssen, um teilzuhaben am Geschehen, das sie dann künstlerisch wieder umsetzen. Auch wenn es schmerzt. Juval Shaked dagegen lehrt in Haifa an der Universität und wurde seinerzeit von den Hotspots der Neuen Musik in Köln und Darmstadt geprägt. Er selbst wuchs im Kibbuz auf, das und die Wiener Heimat seiner Familie prägte sein Selbstverständnis und das seiner Musik. Die Komponistin Ora Bat Chaim ist Echo-Preisträgerin und eine israelische Frau, die im Lexikon steht. Dabei begann sie erst mit 58 Jahren zu komponieren. Als Managerin hat sie großen Anteil am Weltruhm ihres Mannes, des Klarinettisten Giora Feidman. Nicht nur für ihn, aber für Klarinette, also sein Instrument, schrieb Ora Bat Chaim das Werk "Voices of compassion". Und dieses Mitgefühl ist auch die stärkste Stimmung, die einem im Lande selbst begegnet ...
(Nahaufnahme in BR-2)
Der Staat Israel wird am 14. Mai 2018 siebzig Jahre alt. Das Judentum ist aber
offiziell schon 5778-jährig, und der Messias sollte bereits im letzten Jahr
erschienen sein, wenn es nach den sehr orthodoxen Juden ginge. Im säkularen
Tel Aviv werden unterdessen die Mieten zu teuer. Im Centralen Busbahnhof kann
man Tunten-Cabaret auf Jiddisch erleben, in Jerusalem auch Italienisch und
Arabisch in der jemenitisch-jüdischen Popmusik hören. So weit, so unübersichtlich.
Jüdische Einwanderer kamen aus der ganzen Welt mit ihrer Sprache, ihrem Essen,
ihrer Musik - sie bilden 80 Prozent der Einwohner Israels. Etwa 20 Prozent der
Israelis sind nicht jüdisch, sondern arabisch: Moslems, Christen oder Drusen.
Inhalte zur Sendung Israel für Anfänger - 70 Jahre nach der Staatsgründung:
Im säkularen Tel Aviv werden unterdessen die Mieten zu teuer. Im Centralen
Busbahnhof kann man Tunten-Cabaret auf Jiddisch erleben, in Jerusalem auch
Italienisch und Arabisch in der jemenitisch-jüdischen Popmusik hören. So weit,
so unübersichtlich. Jüdische Einwanderer kamen aus der ganzen Welt mit ihrer
Sprache, ihrem Essen, ihrer Musik – sie bilden achtzig Prozent der Einwohner Israels.
Etwa 20 Prozent der Israelis sind nicht jüdisch, sondern arabisch: Moslems,
Christen oder Drusen. Das neue Hebräisch, die Landessprache, sollte sie einen,
wurde mit Hilfe junger Musiker verbreitet, und die kamen meist aus dem Militär.
"So viele Kulturen treffen sich hier: Jiddische, die moderne israelische, das
ganze Prisma von Yiddishkayt, aber auch die Asylsuchenden: von den Philippinen,
aus dem Sudan, die kommen auch hier rein. Ja, weil das Yiddishe ist sensitiv für
den Immigrant, das Sich-zu-Hause-fühlen, das suchen wir alle. 1000 Jahre und mehr
waren wir in der Diaspora und unser Sprache, das war unser Heim."
(Mandy Cahan, Tel Aviv)
Auf ihrer Tour durch das Israel von heute hat sich unsere Autorin Offenheit auferlegt:
sicher nicht der schlechteste Kompass für den ersten, unvoreingenommenen Kontakt
"Spricht man mit fremden Menschen über Israel, so scheint jeder eine Meinung zu
haben. Jeder weiß, was angeblich das Beste sei, jeder ist überzeugt von irgendeiner
Wahrheit. Ich erlaube mir lieber keine Meinung. Ich erlaube mir, einfach auf das
zuzugehen, was mir entgegenkommt an Menschen, Meinungen, Musik…" (Friederike Haupt)
Aus vielen Teilen der Welt wanderten seit siebzig Jahren jüdische Bürger in das
Land ein, sie alle brachten ihre Musik und Sprachen mit, und die klingen ganz
verschieden: Ob aus dem chassidisch-aschkenasischen Osteuropa, ob aus Lemberg
oder Berlin, aus Bagdad oder aus dem Jemen, vom jiddischen Lied bis zum jemenitischen
Klagegesang, vom romantischen Chorsatz bis zum arabisch geprägten Oud-Solo ... Wie
sollte bei all diesen Unterschieden eine einheitliche israelische Identität entstehen?
Professor Yuval Shaked von der Universität Haifa erzählt im Interview über Migration
von Melodien, das Zusammenspiel von jüdischen und arabischen Israelis und seine
eigene musikalische Herkunft im Kibbuz. Sabras, Wüstenblumen, werden die Israelis
genannt, die im Land geboren wurden. Was brachten ihre Eltern für Musik mit? Das
kann man zum Beispiel im Musrara Center for Eastern Music in Jerusalem erfahren.
Soundscapes of Jerusalem zeigen die Vielfältigkeit der Stadt, die akustisch ihre
eigenen kleinen Identitätsräume bildet. Musikologen zeigen die Geschichte und
angesagte Musiker, wie der Trompeter Adir Cochavi, die Gegenwart in Israel. Wer
die Realität des Landes sucht, findet sie in ihren Klangräumen. Das Melos der
Synagoge ihrer Eltern in Teheran hat eine junge Künstlerin mitverarbeitet, die
wundersamen Melodien und Verzierungen des Bagdadi-Stils werden heute in Israel
wieder gespielt und anerkannt, Klezmer hat Konjunktur und das osteuropäische
Yiddish lernt und liest man wieder, wenn man es nicht sowieso schon kann.
Wie formulierten sich mit Musik die Identitäten im Staat Israel? Schmolzen sie
zusammen oder bewahrten sie ihren eigenen Klang? Hebräisch ist die Sprache der
israelischen Musik, der Tänze und Lieder, die in Kibbuzim die Identität der jungen
Israelis formte. Ein Lebensalter brauchte es, um diese Identität zu sichern, jetzt
kann man Herkunftsstilen wieder mehr Interesse einräumen, ob auf Festivals mit
orientalisch-jüdischer Musik, ob mit Klezmer oder jiddischen Liedern. Die
Unterschiedlichkeit der Herkunft israelischer Einwanderer wird jetzt, da die
israelische Identität in siebzig Jahren kulturell gefestigt ist, zur musikalischen
Ressource: Happy Birthday!
Aus vielen Teilen der Welt wanderten seit siebzig Jahren jüdische Bürger in das
Land ein, sie alle brachten ihre Musik und Sprachen mit, und die klingen ganz
verschieden: Ob aus dem chassidisch-aschkenasischen Osteuropa, ob aus Lemberg
oder Berlin, aus Bagdad oder aus dem Jemen, vom jiddischen Lied bis zum jemeninischen
Klagegesang, vom romantischen Chorsatz bis zum arabisch geprägten Oud-Solo ... Wie
sollte bei all diesen Unterschieden eine einheitliche israelische Identität entstehen?
Professor Yuval Shaked von der Universität Haifa erzählt im Interview über Migration
von Melodien, das Zusammenspiel von jüdischen und arabischen Israelis und seine
eigene musikalische Herkunft im Kibbuz. Sabras, Wüstenblumen, werden die Israelis
genannt, die im Land geboren wurden. Was brachten ihre Eltern für Musik mit? Das
kann man zum Beispiel im Musrara Center for Eastern Music in Jerusalem erfahren.
Soundscapes of Jerusalem zeigen die Vielfältigkeit der Stadt, die akustisch ihre
eigenen kleinen Identitätsräume bildet. Musikologen zeigen die Geschichte und
angesagte Musiker, wie der Trompeter Adir Cochavi, die Gegenwart in Israel. Wer
die Realität des Landes sucht, findet sie in ihren Klangräumen. Das Melos der
Synagoge ihrer Eltern in Teheran hat eine junge Künstlerin mitverarbeitet, die
wundersamen Melodien und Verzierungen des Bagdadi-Stils werden heute in Israel
wieder gespielt und anerkannt, Klezmer hat Konjunktur und das osteuropäische
Yiddish lernt und liest man wieder, wenn man es nicht sowieso schon kann.
Wie formulierten sich mit Musik die Identitäten im Staat Israel? Schmolzen sie
zusammen oder bewahrten sie ihren eigenen Klang? Hebräisch ist die Sprache der
israelischen Musik, der Tänze und Lieder, die in Kibbuzim die Identität der jungen
Israelis formte. Ein Lebensalter brauchte es, um diese Identität zu sichern, jetzt
kann man Herkunftsstilen wieder mehr Interesse einräumen, ob auf Festivals mit
orientalisch-jüdischer Musik, ob mit Klezmer oder jiddischen Liedern. Die
Unterschiedlichkeit der Herkunft israelischer Einwanderer wird jetzt, da die
israelische Identität in siebzig Jahren kulturell gefestigt ist, zur musikalischen
Ressource: Happy Birthday!
Der Komponist Salomon Sulzer wurde am 18. März 1804 als drittes von vier Kindern
in Hohenems geboren. Das Leben des Komponisten beginnt wie das eines Wunderkinds.
Der später bekannte reformerische Rabbiner Aron Tänzer und andere prägten seine
Jugend und wir verstehen, hier handelt es sich um einen großen Musiker aus einer
jüdisch-reformierten Familie, die trotz Vertreibung, Ungerechtigkeiten und wiederholten
Umsiedlungen immer wieder die Integration suchte. Integration, dieser Begriff steht
auch für die Musik Salomon Sulzers, des großen Architekten der synagogalen Musik des
neunzehnten Jahrhunderts, denn er integrierte die romantische Chormusik in die
Liturgie der Synagogen ...
Wir erleben in dieser Sendung mit dem Wiener Oberkantor Shmuel Barzilai und den
Wiener Sängerknaben die Begrüßungszeremonie des Shabbat, aber auch die reformierten
Gesänge für die hohen jüdischen Feiertage, ein gesungenes Totengebet "Kaddish" und
"B´rosch Hashano" an Rosh Hashana, dem jüdischen Neujahr, Psalmen, Festtags-Liturgie
und Hochzeitslieder.
Klagegesänge - im Moment des Unerwarteten, wenn die Natur sich gegen den Menschen
stellt, sucht die Seele eine Verständigung mit dem Überirdischen, einen Sinn, eine
Antwort im Klang. Dann werden Klänge wie ein Requiem essentiell für uns, sie
werden zum nötigen rituellen, zum musikalischen Beistand.
Ein Chor, der Steine in den Händen hält, sie klagend aneinander stoßen lässt und
im Rhythmus reibt … Der Stein ist das Thema des Requiems der italienischen
Komponistin Silvia Colasanti. Sie schrieb es direkt nach dem Erdbeben, das 2015
Zentral-Italien so schwer getroffen hat. Kurz nach den verheerenden Beben 2017
in Mexico wurde dieses Requiem in Bozen mit dem Haydn-Orchester aufgeführt. Die
Komponistin Silvia Colasanti erklärt im Interview, warum sie eine Fragende, eine
Zweiflerin in den lateinischen Text einfügte, eine Figur, welche die Dichterin
Mariangela Gualtieri in dieser Aufführung selbst sprach. Steine, Salz und Wüste
- oder auch Verwüstung … Ein spiritueller Gesang stammt von einem Dichter des
13. Jahrhunderts aus dem Iran vom persischen Dichter Saadi Shirazi. Die Poesie
von Saadi wird angestimmt von der bekannten persischen Sängerin Parissa gemeinsam
mit dem Dastan-Ensemble. Der Schmerz um Haiti wird besungen von der Sängerin Toto
Bissainté. Auch Japan wurde in den vergangenen Jahren Opfer einer Katastrophe,
Toru Takemitsu schrieb ein Requiem ... Unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche
Formen der Toten-Klage erklingen in dieser Sendung.
(Nahaufnahme in BR-2)
2017 feiert Meran sein 700-jähriges Bestehen als Stadt und rückt dadurch wieder ins
Bewusstsein internationaler Medien. Das bezaubernde Bild der weltberühmten Kurstadt
aber bekäme einige Risse, wenn man nach der jüdischen Geschichte des Ortes fragte.
Denn faktisch waren es jüdische Ärzte, Hoteliers und Geschäftsleute, jüdische Gäste
wie Franz Kafka, Stefan Zweig, Arthur Schnitzler, Sigmund Freud oder auch Chaim
Weizmann, später erster Präsident Israels, die Meran so berühmt machten… Wie war das
damals? Autorin Friederike Haupt versucht eine Rekonstruktion mit inzwischen weltweit
verstreuten Kindern dieser ehemaligen Meraner, mit Synagogen-Angehörigen sowie
Mitarbeitern des jüdischen Museums. Welche Orte lassen sich wiederauffinden,und was
wurde aus dem berühmten Hotel "Bellaria"? Die Recherchen führten bis nach Jerusalem.
Inhalte zur Sendung Jüdisches Meran - Eine Spurensuche im Gestern und Heute:
Es waren jüdische Ärzte, Hoteliers und Geschäftsleute, jüdische Gäste wie Franz
Kafka, Stefan Zweig, Arthur Schnitzler, Sigmund Freud oder auch Chaim Weizmann,
später erster Präsident Israels, die Meran so berühmt machten. Wie war das damals?
Die Autorin versucht eine Rekonstruktion mit inzwischen weltweit verstreuten Kindern
dieser ehemaligen Meraner und mit anderen Zeitzeugen.
Welche Orte lassen sich wiederauffinden, und was wurde aus dem berühmten Hotel
Bellaria? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Bellaria berühmt für seine Feste.
Hunderte jüdischer, aber auch nichtjüdischer Gäste reisten regelmäßig an, um die
jüdischen Feiertage hier in höchsten Kreisen zu verbringen.
Ab 1933 wurde Meran zunehmend Fluchtort für deutsch-jüdische Emigranten, die auch
von vornehmen Hoteliers wie den Bermanns vom Bellaria unterstützt wurden. Fünf Jahre
später erwies sich das vormals so sichere Meran als Falle: Hunderte jüdische Meraner
und alle, die hier Sicherheit gesucht hatten, mussten 1938 die Stadt verlassen.
Am 16. September 1943 wurden die restlichen in Meran gebliebenen jüdischen Bürger in
einer einzigen Nacht abgeholt und in ein Bozener Konzentrationslager deportiert.
Inzwischen gibt es in der einstmals weltberühmten, jüdisch geprägten Kurstadt wieder
eine jüdische Gemeinde. Sie hat gerademal 50 Mitglieder und leistet trotzdem
Erstaunliches, das meint Tamara Kienwald. Sie lebt jetzt in Jerusalem und berichtet,
dass in der Gedenkstätte Yad Vashem jedes Jahr an die "italienische Shoah" erinnert
wird. Heute ist das Bellaria ein Mietshaus. Auf dem Schulhof nebenan hört man
Italienisch, Deutsch und die Sprachen von Kindern unterschiedlicher Herkunftsländer:
indische, pakistanische, afrikanische. Wie viel von der jüdischen Geschichte Merans
heute noch präsent oder bekannt ist, hat Friederike Haupt recherchiert.
Während am Tempelberg in Jerusalem gestritten wird, konnte man in Weimar erleben, wie multikulti die israelische Musik ist. Multikulti in Israel? Von außen gesehen möchte man es vielleicht nicht vermuten, dabei verhält es sich doch so: Ein faszinierender Melting Pot ist Israel. In Weimar arbeiteten vier Wochen lang israelische Musiker, jüdische und auch einige arabische Kulturschaffende und Wissenschaftler aus Jerusalem und Tel Aviv beim "Yiddish Summer Weimar 2017: The Other Israel - Seeing Unseen Diasporas": Das "andere Israel" also, das der unsichtbaren Diasporas. Aus ganz Europa reisten Teilnehmer an, um zu musizieren, arabisch-israelische und yiddische Musik kennen zu lernen, sich zu perfektionieren und um andere Künstler zu treffen. Der israelische Oudspieler Yair Dalal mit Bagdader Lauten-Kunst, Yagel Haroush mit marokkanisch-jüdischen Nachtgesängen, Sasha Lurje und Efim Chorny für Yiddishes Lied, Ilya Shneyveys für Klezmer, Naomi Cohn-Zentner für israelische Musikgeschichte und Mendy Cahan von YUNG YiDiSH in Tel Aviv für die Kunst der Badchonensänger: Das Festival wartete mit Stars der Szene auf, wie auch Gulaza, Lenka Lichtenberg und Chassid Chilik Frank, und mit einem Blick auf die bunte Musik-Geschichte des nicht mehr so jungen Staates Israel. Ein Bericht in zwei Teilen über spannende vier Wochen Musik, Workshops, Vorträge, Filme, Jam-Sessions und Konzerte.
Während am Tempelberg in Jerusalem gestritten wird, konnte man in Weimar erleben,
wie multikulti die israelische Musik ist. Multikulti in Israel? Von außen gesehen
möchte man es vielleicht nicht vermuten, dabei verhält es sich doch so: Ein
faszinierender jüdischer Melting Pot ist Israel. In Weimar arbeiteten vier Wochen
lang israelische Musiker, jüdische und auch einige arabische Kulturschaffende und
Wissenschaftler aus Jerusalem und Tel Aviv beim „Yiddish Summer Weimar 2017: The
Other Israel - Seeing Unseen Diasporas“: Das „andere Israel“ also, das der
unsichtbaren Diasporas. Aus ganz Europa reisten Teilnehmer an, um zu musizieren,
arabisch-israelische und yiddische Musik kennen zu lernen, sich zu perfektionieren
und um andere Künstler zu treffen. Der israelische Oudspieler Yair Dalal mit
Bagdader Lauten-Kunst, Yagel Haroush mit marokkanisch-jüdischen Nachtgesängen,
Sasha Lurje und Efim Chorny für Yiddishes Lied, Ilya Shneyveys für Klezmer, Naomi
Cohn-Zentner für israelische Musikgeschichte und Mendy Cahan von YUNG YiDiSH in
Tel Aviv für die Kunst der Badchonensänger: Das Festival wartete mit Stars der
Szene auf, wie auch Gulaza, Lenka Lichtenberg und Chassid Chilik Frank, und mit
einem Blick auf die bunte Musik-Geschichte des nicht mehr so jungen Staates Israel.
Ein Bericht in zwei Teilen über spannende vier Wochen Musik, Workshops, Vorträge,
Filme, Jam-Sessions und Konzerte.
2. Teil am 14. Oktober 2017 um 23.05 Uhr
Am 19. August 1990 dirigierte Leonard Bernstein auf der Sommerakademie in Tanglewood das Boston Symphony Orchestra. Auf dem Programm stand Beethovens Siebte Symphonie. Es sollte sein letztes Konzert bleiben: Er starb knapp zwei Monate später- am 14. Oktober.
Gospel und Soul - die ekstatische Art zu singen aus den Südstaaten Amerikas - sie entstanden nach den Jahrzehnten der Emanzipation in den Kirchen der befreiten Sklaven. Die Art zu singen ist die Gleiche geblieben seither, dazu kamen Orgel, Percussion und E-Piano und mehr noch: Diese Art zu singen beeinflusst die Sänger des amerikanischen Pop, die großen Soulstimmen lernten alle als Kinder in der Kirche. "Im Süden", so schreibt der Reisejournalist Paul Theroux, „Im Süden ist eine Kirche das pulsierende Herz eines Viertels. Sie fungiert als Sozialzentrum, Glaubensanker, Leuchtturm, Konzerthalle und Versammlungsort, wo man vieles bekommt: Hoffnung, Rat, Fürsorge, menschliche Wärme, Gemeinschaft, Melodien, Harmonien und etwas zu essen." Auch heute noch. Siebzig Jahre früher, Ende der Vierzigerjahre, ging ein anderer Forscher tief hinein in den amerikanischen Süden, er nahm in Gospelkirchen auf, auf den Straßen und sogar in den Gefängnissen: der Musikologe Alan Lomax. Er ermunterte die Gefangenen zu singen, was sie zu singen wussten, und hielt das mit seinen Aufnahmegeräten fest. Alan Lomax enthüllte eine Urheimat des Blues ...
Beim Thema Indianer und indianische Musik nicht gleich in Stereotype zu verfallen, das ist gar nicht so leicht. Wer denkt da nicht sofort an Totemtiere, Tänze und Traumfänger … dabei bieten die „Native Tribal People“ Amerikas im Moment zwei wichtige Ansätze: Einerseits einen Zugang zum ökologischen Bewusstsein, zu anderen Werten, die die derzeitige Werte-Diskussion des Westens durchaus bereichern könnten und andererseits das „In-between“, das Leben in mehreren Kulturen - oder eben dazwischen: Indianische Sprachen und Englisch, Re-Invention der Identität und Adaption, Basstrommel und Banjo. Was Elvis Presley, Cher, Jimi Hendrix, Johnny Depp und Kevin Costner gemeinsam haben? Sie sind Weltbürger mit Cherokee-Wurzeln. Ist es nicht erstaunlich, dass es bei der Einführung eines Präsidenten der USA nichts Besseres gab als eine schüttere Nationalhymne, gesungen von einer Sechzehnjährigen weil die übrigen angefragten Musiker nicht auftreten wollten? Wie aber hätte es geklungen, wenn zum Beispiel Native Tribal Musiker indianischer Stämme eingeladen gewesen wären? In dieser Sendung werden Sie es hören: Indianische Musik aus Feldaufnahmen aus den siebziger Jahren, von großen Pow Wouw-Stammestreffen und solche Musik, die mit dem New Age die Fusion in ein neues Zeitalter schafft. Spannend ist auch der Vergleich mit Sibirien, mit Musik von der russischen Halbinsel Kamtschatka
Ist Eskapismus Weltflucht? Staatsministerin Monika Grütters spricht anlässlich
der diesjährigen Berlinale von Entführung, Inspiration, Irritation, das sei, was
die Kunst, auch das Kino, uns in diesen Tagen geben kann. Um wie viel mehr erst
die Musik, um wie viel mehr kann uns Musik innerhalb von Sekunden entführen in
andere Welten? Insbesondere dann, wenn sie in einer anderen Welt entstand? Etwa
in der Welt des Django Reinhardt oder der Gipsy Rumba in Barcelona.
"Musik der Welt" ist eine ständige Möglichkeit des kulturellen Eskapismus
- allerdings von der aktiven Seite. Neue musikalische Welten erleben heißt,
neue Strukturen denken und anders hören, anders fühlen als gewohnt.
Auch Deutschlandradio Kultur lieferte jüngst eine Sendereihe zum Thema
"Weltflucht und Eskapismus" in Zeiten der Nachrichten von Terror, Populismus
und Radikalismus: Steht europäisches, humanistisches, aufklärerisches Denken
am Abgrund fundamentalistischer Strömungen? Kann da Musik außereuropäischer
Provenienz helfen? Und wenn ja, welche? Gute-Laune-Musik aus Rios Karneval?
Oder doch der tiefere Blick hinter akustische Kulissen? Welche Musik entführt
uns, um uns zu uns selbst zu bringen? Etwa Schlaflieder aus Neuseeland? Wie suchen
Menschen eskapistische Ablenkung um kulturelle europäische Werte wieder zu beleben?
Nostalgie? Wie klang Eskapismus damals, zu Zeiten der Teilung Europas hinter dem
Eisernen Vorhang? Wie klingt Weltmusik im Dresden von heute? Eine Spurensuche von
Friederike Haupt.
Ist Eskapismus Weltflucht? Staatsministerin Monika Grütters spricht anlässlich
der diesjährigen Berlinale von Entführung, Inspiration, Irritation, das sei, was
die Kunst, auch das Kino, uns in diesen Tagen geben kann. Um wie viel mehr erst
die Musik, um wie viel mehr kann uns Musik innerhalb von Sekunden entführen in
andere Welten? Insbesondere dann, wenn sie in einer anderen Welt entstand? Etwa
in der Welt des Django Reinhardt oder der Gipsy Rumba in Barcelona.
"Musik der Welt" ist eine ständige Möglichkeit des kulturellen Eskapismus
- allerdings von der aktiven Seite. Neue musikalische Welten erleben heißt,
neue Strukturen denken und anders hören, anders fühlen als gewohnt.
Auch Deutschlandradio Kultur lieferte jüngst eine Sendereihe zum Thema
"Weltflucht und Eskapismus" in Zeiten der Nachrichten von Terror, Populismus
und Radikalismus: Steht europäisches, humanistisches, aufklärerisches Denken
am Abgrund fundamentalistischer Strömungen? Kann da Musik außereuropäischer
Provenienz helfen? Und wenn ja, welche? Gute-Laune-Musik aus Rios Karneval?
Oder doch der tiefere Blick hinter akustische Kulissen? Welche Musik entführt
uns, um uns zu uns selbst zu bringen? Etwa Schlaflieder aus Neuseeland? Wie suchen
Menschen eskapistische Ablenkung um kulturelle europäische Werte wieder zu beleben?
Nostalgie? Wie klang Eskapismus damals, zu Zeiten der Teilung Europas hinter dem
Eisernen Vorhang? Wie klingt Weltmusik im Dresden von heute? Eine Spurensuche von
Friederike Haupt.
Wiegenlieder
sind der Inbegriff von Heimatgefühl, von Vertrauen, von Zuhause. Meine Mutter
sang bisweilen ganz gern das österreichische „Aber Heidschi bumbeitschi“, ohne
genau zu wissen, was der Inhalt des Liedes bedeutet. Wir mochten es sogar. In
dieser Sendung können sie den grausamen Inhalt etwas genauer studieren, in
einer wunderbar wienerischen Aufnahme mit Jonas Kaufmann und Margarete Joswig: „Freylach“,
das heißt „fröhlich“ auf Jiddisch. Der Begriff stammt aus der osteuropäischen,
ashkenasischen, aus der Klezmer Tradition: Aber wie kann man unter größtem
Stress singen? Wie kann man musizieren, wenn man verjagt und verfolgt wird? Wie
kann man wirklich fröhlich sein… in d-moll? Keine Ahnung, werden sie sagen, und
mit den Schultern zucken und weitertanzen. Solange es geht. Außerdem, Freylach,
ist das nicht ein Shteyger? Eine Tonleiter also, im musikalischen Kosmos des
Klezmer, dieser einzigartigen instrumentalen Hochzeits-, Festtags- und
Tanzmusik des Ostjudentums? Oder ist Freylach gar eine Gattung? So wie die
Doina, Bulgar, oder die Hora, der traditionelle Schreittanz? Historische
Aufnahmen der Klezmerai aus New York um 1915 beflügeln die heutige, die
aktuelle Klezmerszene. Wie zum Beispiel klang eigentlich der jiddische
Radiosender in Brooklyn? Und was wurde aus den jiddischen Volksliedern, die die
Emigranten zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts nach Amerika brachten? „My
Jiddishe Momme“… Im Jahr 2016 besinnt sich Venedig seiner jüdischen
Geschichte: „500 Jahre Ghetto - Venedig, die Juden und Europa“ nennt sich eine
Ausstellung im Dogenpalast, weitere Veranstaltungen, Konzerte und Symposien
beschäftigen sich das ganze Jahr über mit dem Jubiläum. 500 Jahre Ghetto - ein
Grund zum Feiern oder ein Grund zum Nachdenken? Dort,
wo Sardinien wild und noch ganz bei sich selbst ist, existieren alte
Gesangstraditionen und Instrumente, die teilweise bis in die Zeit der
archäologischen Fundstätten zurückreichen. Bei den immer gleich bleibenden
polyphonen Melodien der Holzblasinstrumente Launeddas, die zum Tanz aufspielen,
scheinen noch schamanische Reste in Europa auf. Die Traditionen, die in den
1970er Jahren als altmodisch galten, werden wieder neu gepflegt. Teilweise sind
sie UNESCO-Weltkulturerbe. Friederike Haupt nahm in einem sardischen Dorf
Sänger und Spieler in ihrer traditionellen Funktion auf und suchte den
UNESCO-geschützten „Canto Tenore“. „Wie
viel Wandel braucht Tradition, um sie selbst zu bleiben, mit der Zeit?“, fragte
jüngst eine israelische Wissenschaftlerin auf ihrer Reise durch Südtirol -
"Alto Adige“. Drei Sprachen spricht man in dem kleinen Land am Südhang der
Alpen, das gerade mal eine halbe Million Einwohner hat und sich bemüht,
interkulturell und vorbildlich zu sein. Der französische Anthropologe Claude
Levi Strauss unterschied zwischen „kalten“, konservierenden und „heißen“,
bewegten, sprich fortschrittlichen Kulturen. Was ist mit Südtirol - "Alto
Adige"? Wie „heiß“ sind die Jugendmusikszenen zwischen traditioneller
Südtiroler Blasmusik, Upload-Festivals und Multikulti-Reggae? In welcher
Sprache besingt man die Dolomiten-Sagen von "König Laurin" oder von
den "Fanes" und wo bleibt eigentlich eine alpine, von
"Südtiroler Volksmusik" geprägte Alpen-Avantgarde? Musik
ist eine Reisende, sie nimmt hier etwas mit, lässt dort etwas zurück,
integriert fremde Einflüsse und entwickelt sich immer weiter. Musik gibt
Identität, gibt Inspiration und noch viel mehr … wir sind an bestimmte Musik
gewöhnt. Was ist unser Referenzsystem? Die Harmonik des Abendlandes, die Kadenz
ist unser Referenzsystem, unser Koordinatensystem. Gibt es denn einen Nullpunkt
von dem aus wir die Reise in andere Hörwelten starten könnten? Ein
„Rennen gegen die Zeit“ nennen Ethnologen die Dokumentation der
außergewöhnlichen kulturellen Schätze der Bergvölker in Vietnam: Jenseits von
Medien und Popkultur war dies bis vor wenigen Jahrzehnten noch möglich. In den
fünfziger Jahren etwa nahm der Ethnologe Georges Condominas im Dorf Sar Luk
auf. Von seinen Begegnungen dort senden wir seltene Aufnahmen, die das
dörfliche Zusammenleben wiedergeben. So dokumentierte Condominas das große
Büffelopfer, das es nicht mehr gibt, und andere Lieder und Bräuche. Tango Thessaloniki Sie ist eine Popsängerin und Politikstudentin aus
Thessaloniki, Georgia Velivasaki. Schon lange gefiel ihr der Tango, besonders
der des Argentiniers Luis Borda. Er ist einer der bekannteren Tango-Komponisten
und komponierte gerade ein Musical fürs Theater in Buenos Aires, als Freunde
die beiden einander in München vorstellten. “Tango-Thessaloniki“ war geboren.
Die griechische Gruppe um Georgia nahm mit Luis Borda an der Gitarre in Kreta
auf. Das Erste, was die beiden verwirklichten, wurde ein Protest gegen das
Massensterben im Mittelmeer … „Verguenza - Scham“. Aber auch viele schöne
Tangos, Chacareas, Milongas und Tango-Lieder mit griechischem Einfluss wurden
geboren, denn der Tango ist, was er immer war, ein transkulturelles Phänomen.
Und bei Georgia und Luis ist er auch ziemlich politisch, zum Beispiel, wenn sie
eine traurige Situation im Argentinien der Militärdiktatur besingen. Friederike
Haupt spürt den Spielarten des Tangos nach in „Tango Thessaloniki“. Südtirol-AltoAdige … Clash of Cultures … Yiddish Summer (II) … Yiddish Summer (I) … Die
Jahreszeiten von Antonio Vivaldi auf Orientalisch, ist das möglich?
WARUM NICHT RIO? (I)
"Dormi, dormi ..."
Die Mutter geht aus und das Kindlein stirbt, dafür nehmen es die Engelein mit
... und das mit bittersüßem österreichisch-wienerischem Schmäh.
Erinnern Sie sich an Wiegenlieder aus ihrer Kindheit, selbst gesungene oder von
Tonträgern gespielte? Der Bariton Cornelius Hauptmann, den treue Hörer noch aus
der Aufnahme des Mozart-Requiems mit Leonard Bernstein und den BR-Klangkörpern
kennen, hatte die Idee, die versiegenden Quellen der Wiegenlieder wieder zum
Fließen zu bringen, indem er berühmte Sängerkollegen bat, je ein Wiegenlied
ihrer Wahl auf CD zu singen. Später folgten Wiegenlieder aus anderen Erdteilen,
aus dem Libanon etwa, aus Armenien oder Indien. Berühmte Sänger, wie der Tenor
Peter Schreier oder der Bass Kurt Moll, wurden für dieses Projekt überredet,
noch ein letztes Mal vors Mikrofon zu treten. Denn wer, wenn nicht wir Sänger,
sollen da aktiv werden, sagt Cornelius Hauptmann. Ihm war aufgefallen, wie
wenig Lieder die Kinder heute noch kennen. Wiegenlieder, ja Lieder überhaupt
prägen eine Kindheit, auch wenn sie nicht selbst gesungen, sondern nur angehört
werden: „Wiegenlieder aus aller Welt“ hieß eine alte Schallpatte, die ich
selbst als Kind hörte, ständig. Wiegenlieder in unterschiedlichsten Sprachen
und Formen, und am Ende sang ich selbst als Kind Chinesisch, Italienisch, ja
sogar Pakistanisch vor mich hin. Diese seltsamen Stimmen und Klänge weckten Welten
der Imagination in mir, ich hörte das Leben in prächtigen Palästen und in armen
Hütten. Der Melos wirkte so fremdländisch, dass man ihn fast wie den Geruch
eines Gewürzes fühlen konnte. Klangvolle Bilder voller Intimität entstehen so
mit Wiegenliedern. Heimatliche und fremde, solche, die Erinnerungen in uns
wecken und solche die neu für uns sind... Auch wenn die Aufnahmen schon gut
fünfzig Jahre alt sind, denn ich konnte diese alte Schallplatte wiederfinden im
unendlich reichen und immer wieder überraschenden Archiv des Bayerischen
Rundfunks, mit Wiegenliedern aus Europa und Asien.
Eine Sendung von Friederike HauptFreylach in d-Moll
Die historischen Stücke von damals werden heute von den jungen Klezmorim
angehört, nachgespielt und neu interpretiert. Eine Welt, die wir verloren
glaubten - bis Musikwissenschaftler den Klang des osteuropäischen Judentums
wieder zugänglich machten durch restaurierte Tondokumente - wird wieder
lebendig…doch auch in Archiven aus der ehemaligen Sowjetunion wurden
Musikwissenschaftler fündig. 500 Jahre Ghetto Venedig
Die Wertschätzung der jüdischen Präsenz in
Venedig beginnt erst langsam. Jüdische Bürger des so genannten Ghettos prägten
über Jahrhunderte hinweg die Civitas mercatorum, die Handelsstadt, das
kosmopolitische Venedig. La Serenissima, dieser Kreuzungspunkt zwischen Orient
und Okzident, prägte ihrerseits die Entwicklung des europäischen Geisteslebens
und der Kultur, ja der europäischen Identität. Inwieweit jüdische Musikalität,
die Folklore, aber auch die Synagogalgesänge das sich umwälzende Musikgeschehen
Venedigs um 1600 mitprägten, das lässt sich anhand weniger Dokumente nur ahnen.
Einige davon sind überraschend … Fragmente hebräischer Chorsätze oder die
Beschreibung von Opernspielen zum Beispiel. Die Aufnahmen mit Psalmen von
Salomone Rossi bringen früheste hebräische Drucke zum Erklingen. Nachts wurden
die Tore des Stadtteils geschlossen und bewacht. 1516 entstand so das erste der
insgesamt drei Teile des venezianischen Ghettos. Hebräisches Leben, der Alltag,
die Schulen, die Synagogen, die koshere Küche konnten sich wenigstens in der
Abgeschlossenheit entwickeln. In anderen Stadtvierteln als im Ghetto durften
die zahlreichen Händler und jüdischen Neubürger, die in die Stadt, die zur
Serenissima hinströmten, nicht wohnen. Aber woher kamen ab 1500 plötzlich so
viele? Flamenco Judaico mit der Sängerin Timna Brauer führt uns auf die Spuren
der Sepharden …Aus dem wilden Herzen Sardiniens
Und der ist eines auf jeden Fall nicht: Ein Tenor! Ganz im Gegenteil, es gibt
da einen tiefen gutturalen Bass, wie sonst so nur noch in Tuva und der
Mongolei. Hat der alte sardische Gesang auch schamanische Wurzeln? Zumindest
gibt es bis heute davon in Sardinien zwei Traditionen: Eine sakrale und eine
weltliche. „Canto a Cuncordu“ sind Klänge zu Prozessionen und Ritualen der
heiligen Messe, beim „Canto a Tenore“ dagegen sind Poesie, wilde
Liebesgeschichten und auch Politisches nicht selten. „Weltmusik“ wird mit
Vorsicht angegangen: Piero Pala und die Sänger des „Canto Tenore e Cuncordu aus
Orosei“ in der musikalischen Begegnung mit dem niederländischen Cellisten Ernst
Rejisegger und dem Senegalesischen Songman Mola Sylla zum Bespiel. Sie singen
in einer Filmmusik zu Werner Herzogs Film „The Wild Blue Yonder“, ein „Requiem
for a Dying Planet“ -„Requiem für einen sterbenden Planeten“.König Laurins Rosengarten und seine Kinder
Die Kunst des Hörens
"Wie klingt ein Punkt“ fragt mathematische Musik von Jörg Schäffer und
Dieter Trüstedt, erstaunlich harmonisch! Die Neue Musik aber lockt uns aus
unserer Komfortzone: Was höre ich da, wie ordne ich es ein, ja, w e r hört
überhaupt, wer ist es, der da hört ...? Das fragten sich schon seit
Jahrhunderten die Zen-Buddhisten japanischer Schulung bei ihrer Meditation.
Hören ist Bewusstsein. Das Fremde klingt aber immer fremd, wir kennen es nicht,
woher sollen wir wissen, ob dieses Fremde Qualität hat, oder nicht?
Rituale vom Volk der Bororo am Amazonas wurden erstmals durch die Arbeiten des
französischen Forschers Claude Levi-Strauss bekannt. Levi-Strauss´
Lieblingsmusik außerhalb der europäischen übrigens war die japanische
Kunstmusik. Das Qawwali der Sufis im jungen Pakistan dagegen, die wilden
Eskapaden der religiösen Sänger mit Händeklatschen und Tablatrommeln wurden
erst durch die modernen Medien mit Nusrat Fateh Ali Khan im Westen bekannt.
Anbetungswürdig ist für Ägypter bis heute der Gesang der „Stimme Ägyptens“, Umm
Kulthum, die „Callas des Orients“.
Was kennzeichnet eine musikalische Hochkultur? Die Notenschrift? Die große
arabische Musikwelt brauchte zu ihrer Entwicklung die Poesie, aber keine
zwingende Notation. Wie andere musikalische Hochkulturen ist sie auf die Kunst
des Hörens, Erinnerns und Improvisierens aufgebaut. Auch Musik aus Syrien
zeigt, wie in dieser Region einst Kulturaustausch mit offenen Ohren stattfand …Bambus und Gong
Über fünfzig Minderheiten-Völker zählt man heute in Vietnam, die meisten der
Bergvölker siedeln im zentralen Hochland an der Grenze zu Kambodscha und im
Norden und Nordwesten an der Grenze zu Laos und China in der Gegend um Sapa.
Dort sind die traditionellen Trachten des Volkes der Hmong heute bereits
Touristenattraktionen.
Schon seit vorgeschichtlicher Zeit lebten in Vietnam ganz unterschiedliche
Völker. Sie kamen über den Ozean und in den Süden und Osten und über die
Bergkämme nach Nordwest-Vietnam. Alle brachten ihre Kultur mit, ihre Sprache,
ihre Religionen - vom Buddhismus bis zur Geister- und Ahnenverehrung - und
natürlich ihre Musik...Tartini
oder der Viertelton?
"Orient und Okzident und nicht mehr zu trennen" schreibt Goethe in
seinem West-östlichen Diwan. Sind sie aber doch...
Wenn man die abendländische klassische Musik und die Kunstmusik des Orients studiert,
stößt man auf Hindernisse und Unvereinbarkeiten, die größer kaum sein könnten:
Schon der Barockviolinist Giuseppe Tartini, festigte mit seiner Entdeckung der
sogenannten "Tartini-Töne", der sogenannten Terzi Suoni bereits um
1715 theoretisch die Naturgesetzlichkeit der Europäischen Harmonik. Was aber
ist dieser "Terzo Suono", was sind diese geheimnisvollen
"dritten Töne", die erscheinen, wenn ein Streicher reine Intervalle
spielt? Der italienische Meistercellist Alejandro Biancotti führt sie uns vor
und klärt damit eines der Geheimnisse der berühmten italienischen
Violinschule des Giuseppe Tartini auf.
Doch was sind dann die arabischen oder türkischen Vierteltöne, die Töne zwischen
den Tönen, die in der Musiktheorie des Orients so viel beschrieben werden und auch
heute noch erklingen?
Gibt es "Vierteltöne" auch in der Obertonreihe? Ist das Spiel mit
Vierteltönen etwa der Reiz des Ungeraden, Ungereimten? Wie klingt ein
Israelischer Chor mit einem Palästinensischen Chor, - der Vierteltöne kennt
- ,gemeinsam? Kann das gutgehen? In dieser Sendung ist es zu erleben u.a.
mit "Voices for Peace" und Timna Brauer im Interview.
Unsere Hör-Reise führt von Norditalien bis in einen kleinen Musikalienladen mitten
in Istanbul, nach Israel und Palästina und zuletzt in den Libanon...